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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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Namen des Fußballs von Coya Sur, dass er sich für immer ins Dunkel der Höfe verpisste und sich dort bei einer seiner versauten Nummern im Stehen einen syphilitischen Schanker holte.
    Der liebestolle Choche Maravilla kam über die Begeisterung für den Ball kaum hinaus (technisch war er im Grunde eine Niete), dagegen war Tuny Robledo unverkennbar schon als Kind von der Fußballfee geküsst worden. Die »Gabe« war ihm in die Wiege gelegt, sagten die Nachbarn. Das Spiel flog ihm zu. Bei seinen ersten Bolzereien kreuz und quer durch die Wüste oder in den Pausen auf dem Schulhof staunte er selbst über seine jähen Finten, darüber, wie er ohne Nachzudenken Fußangeln auswich und ihm locker die unglaublichsten Dribblings gelangen. Nicht weniger verwundert stellte er fest, dass der Ball ihn suchte, ihm folgsam vor die Füße tropfte, an die Brust, an den Kopf. Derselbe Ball, der den andern eigensinnig versprang, kam willig und schmiegsam zu ihm. Es war ein ästhetischer Genuss, ihn spielen zu sehen, zu beobachten, wie er den Ball annahm, seine Gegner ausspielte; selbst wenn er nur dastand auf dem Platz, wollte man den Blick nicht von ihm lassen. Er war zum Spielmacher geboren. Weshalb auch einige mäkelten, er spiele zu sehr fürs Publikum und zu wenig für die Mannschaft. Aber sein einziger echter Schwachpunkt waren die Elfmeter. Im Training zimmerte er sietrocken ins Eck, aber im Spiel traute er sich nie, einen zu treten: Er empfand dieselbe Urangst davor wie bei dem Gedanken, das Mädchen seiner Träume um den Beweis seiner Liebe zu bitten.
    »Wenn du mich fragst, traust du dich an am Tag, wenn du einen Elfer reinmachst, auch zu Marilina und vernaschst sie«, wiederholte ihm Choche Maravilla mit therapeutischer Beharrlichkeit. »Oder umgekehrt: Wenn du Marilina endlich vernaschst, traust du dich auch und machst einen Elfer rein.«
    Ehe wir zum Friedhof aufbrachen, wollte Expedito González wissen, wo er einen Strauß Blumen für den Toten kaufen könne. Wir mussten ihm klarmachen, dass Blumen hier draußen so unmöglich zu besorgen waren wie Steine auf hoher See und man die Gräber auf den Wüstenfriedhöfen deshalb mit Blumen und Kränzen aus Seidenpapier oder Blech schmückte. Jemand wollte gehört haben, dass Doña María Marabunta, die immer am ersten November Kränze verkaufte, bereits die ersten hergestellt hatte. Also gingen wir zu ihr.
    Wenig später schlugen wir mit einem üppigen violetten Kranz im Gepäck unter der sengenden Sonne den Weg zum zwei Kilometer entfernten Friedhof ein. Die Rothaarige kam bloß aus Phlegma mit. Oder, wie manche argwöhnten, auch deshalb, weil California im letzten Moment aufgetaucht war und sich der Abordnung angeschlossen hatte.
    »Auf Friedhöfe zu gehen macht mich immer so traurig«, sagte die Rothaarige irgendwann in süßem Schmelz.
    »Wirklich traurig, mein Kind«, feixte Pata Pata, der hinter ihr ging, »ist nicht Hingehen, sondern Dortbleiben.«
    Schon nach einem kurzen Stück wurde uns klar, dass der Traumkicker eigentlich nicht hinkte, wie wir erst gedacht hatten, sondern anscheinend durch die Krümmung seiner Beine behindert und davon abgehalten wurde, seine Schritte gleichmäßig zu setzen, was diesen eigentümlichen Gang zur Folge hatte. Besonders schnell kam er auch nicht voran. Und wir mussten uns die ganze Zeit seinem schleppenden Schritt eines müden Esels anpassen. Jemand maulte, in dem Tempo wären wir nicht rechtzeitig zur abendlichen Bolzerei zurück. Um dann wie nebenbei den Traumkicker zu einem Spielchen einzuladen.
    »Ja, sicher!«, bestätigten wir alle. »Und falls heute nichts mehr draus wird, dann morgen!«, schoben wir strategisch nach.
    Expedito González, dem der Schweiß in Strömen lief, rückte sich das Stirnband zurecht und sagte, er sei ja nicht wahnsinnig, nie im Leben werde er sich in dieses Gerempel und Getrete begeben. Seine Beine sicherten ihm den Lebensunterhalt, und deshalb müsse er sie pfleglich behandeln, als gehörten sie einer jungen Dame. »Mit diesen Stahlkappenschuhen kann man ja ein Pferd in Stücke treten«, sagte er. Außerdem habe er den Eindruck gehabt, die meisten Männer würden bloß zu den Bolzereien gehen, um dort auszuteilen, was das Zeug hält.
    Wir nahmen seine Weigerung auf die leichte Schulter, gingen lachend weiter und riefen uns dabei Geschichten über die rauflustigsten Knochenbrecher der Salpeterwüste ins Gedächtnis. Über die sogenannten »Blutschlappen«. Natürlich erzählten wir ihm von Pata de

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