Der Traumkicker - Roman
gesamten Wüste kommentiert hat; aber ich sage euch, bevor wir alle zum Teufel gehen, bevor wir von der Landkarte getilgt und zur bloßen Erinnerung werden, ist es unsere moralische und gesellschaftliche Pflicht und hypokratische Schuldigkeit, die Staubfresser in diesem letzten Kräftemessen zu besiegen; und deshalb bin ich hier, verehrte Hörerinnen und Hörer daheim an den Radios, begeistert wie eh und je, munter wie eh und je und mit freundlicher Unterstützung der Eisfabrik und Pelao Thompsons Eis am Stiel, das die Hitze nicht umbringt, aber ausknockt; und ebenfalls mit freundlicher Unterstützung des Rancho Huachipato, der Ort für Rausch und Plausch, des Kramladens vom stocktauben Moya, verlang ein Metermaß und du kriegst ein Einmachglas, hier bin ich, sehr verehrte Damen und Herren, und warte auf den Omnibus, der die Gastmannschaft bringen wird, warte, dass es vier Uhr am Nachmittag wird und der Mann in Schwarz die Partie anpfeift (es heißt, der Schiedsrichter, den sie aus Pedro de Valdivia holen, ist ein papulöser Kerl mit weißen Haaren, der mehr Wind macht als die Windpocken); hier bin ich, meine lieben Patienten, in Erwartung des letzten Spiels gegen die Staubfresser, die wir diesmal allerdings besiegen werden, die wir in Grund und Boden spielen und denen wir außerdem das Foramen sacrale in Trümmer treten werden, das schwöre ich Ihnen bei den Speicheldrüsen des kleinen Herrn Jesus!
III
Am Mittwoch wurde auf der Tafel vom Gewerkschaftshaus die Generalversammlung für 19:30 Uhr am Abend angekündigt. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Schließung der Siedlung (statt Siedlung stand »Sidlung« da).
Männer und Frauen traten näher und lasen und machten im Weitergehen hilflose Bemerkungen (die Fäuste geballt, die Stimme belegt), diese Dreckschweine täten doch sowieso, was sie wollten, und wir müssten fort aus unseren Häusern, unseren Straßen, der Siedlung, in der wir geboren waren, mein Lieber, meine Liebe, weg von dem Ort, wo wir gestandene Männer und Frauen geworden sind. Was für ein Hundeleben!
Zu allem Überfluss sahen wir uns am Vormittag, als wir unsere Gäste im Gewerkschaftshaus besuchten, mit der bedrohlichen Neuigkeit konfrontiert, dass es jetzt Expedito González selber war, der lieber früher als später Land gewinnen wollte. Seine Leichenbittermiene war zum Fürchten. Weil er sich nämlich in der Nacht (Pata Patas Frau hatte es mitbekommen) lang und lautstark mit der Rothaarigen gestritten hatte. Der Grund war nicht schwer zu erraten: Er trug einen weißen Dreiteiler und hatte eine Stimme wie Sirup.
Als unser Traumkicker dann mit den Vorbereitungen für seine Nummer begann und alles allein machen musste, stand für uns fest, dass es ernst war und dasVerhältnis der beiden drauf und dran, in die Brüche zu gehen. Die Rothaarige massierte ihn nicht, bandagierte ihm nicht die Füße, zog ihm die Strümpfe nicht an und brachte ihm die Schuhe nicht auf Hochglanz. Sie kramte nur unverhohlen widerwillig die Spendenbüchse aus dem Koffer und breitete den Karton mit den Fotos aus. Dann hockte sie sich verdrießlich auf den Gehweg, stützte das Kinn auf die Knie und sah nicht mal zu ihm hin. Selbst ihre Kaugummiblasen hatten etwas Verächtliches.
Gegen Mittag beendete der Mann mit dem weißen Ball eine eher mittelprächtige, nach seinen Worten »letzte« Vorstellung in unserem »Nest«. Selbst seine Verbeugung am Ende wirkte lustlos. Die Münzen in der Ambrosoli-Dose musste man suchen. Außerdem war Cachimoco Farfán nicht aufgetaucht, der mit seinen verbalen Entgleisungen ein bisschen Leben in die Bude gebracht hätte. Allein machte Expedito González’ »sportartistisch-akrobatische Nummer«, wie er selbst das großspurig nannte, nicht mehr so viel Eindruck.
Weil es den Leuten nämlich mittlerweile eher vorkam, als bestehe die eigentliche Schwierigkeit für den Traumkicker darin, den Ball zu verlieren oder ihn wenigstens ein bisschen aus seiner zauberischen Umlaufbahn zu lösen, wie bei diesen Flugdrachen mit den langen Schwänzen, die man ja auch schwerer vom Himmel holt als oben hält.
Etwas Eindruck machte weiterhin sein weißer Ball, da wir so einen hier draußen noch nie gesehen hatten. Unsere Bälle waren von jeher braun, und wir sagten deshalb oft »Pustel« dazu.
Als wir später mit ihm zum Mittagessen gingen und die Rothaarige kurz verschwand, um Kaugummi zu kaufen, bestätigte uns Expedito González, er werde am Nachmittag seine Tournee durch die Städte weiter im Norden
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