Der Traumkicker - Roman
fortsetzen. Er reise ab. Er sei entschlossen. Wenn sie nicht mitkäme (was ihm in der Seele leidtäte, weil er sie sehr gernhatte), dann würde er allein gehen. Und zwar nicht nach Tocopilla, sondern nach Iquique. »Eine Stadt, die, wie ihr ja wisst, meine Guten«, seine Stimme kam uns noch heiserer vor als sonst, »die Wiege großer Sportler gewesen ist.«
Wir waren wie vor den Kopf geschlagen.
Für uns hatte längst festgestanden, dass er am Sonntag für uns antreten würde, wir hatten uns ausgemalt, wie er im weiß-gelben Trikot unserer Mannschaft diese Drecksäcke von Staubfressern schwindlig spielte und ihnen ein sagenhaftes Tor nach dem andern reinmachte. Seine Entscheidung war ein Schock, und obwohl sie unwiderruflich schien, fühlte sich jeder bemüßigt, etwas zu unternehmen, etwas auszuhecken, sich etwas einfallen zu lassen, ihm das Blaue vom Himmel oder das Gelbe der Wüste zu versprechen, wenn er nur seinen Entschluss änderte.
Um Zeit zu gewinnen, redeten ein paar auf ihn ein, er solle wenigstens bis morgen bleiben, Donnerstag sei doch Zahltag, dann würden wir sicher ein hübsches Sümmchen für ihn zusammenbringen. Praktischer veranlagt und zuversichtlicher, erinnerten ihn andere daran, dass am Samstag der erste November war, Allerheiligen. Und wie jedes Jahr würden jede Menge Leute vonauswärts unseren Friedhof besuchen. Vor allem Leute, die früher hier gewohnt hatten und jetzt über das ganze Land verstreut waren, und die würden nach dem Besuch bei ihren Toten bestimmt bis Sonntag bleiben, um das letzte Spiel ihrer Mannschaft zu sehen. Zusammen mit den Auswärtigen würden wir ihm einen Beutel mit Scheinen füllen.
Señora Emilia, die Wirtin des Rancho Huachipato, die eine Seele von Mensch und daran gewöhnt war, den Hunger jedes Landstreichers oder Abenteurers zu stillen, den es in unsere Gegend verschlug, bot Vollverpflegung bis einschließlich Sonntag an. Oder so lange er nach dem Spiel noch in der Siedlung bleiben wollte: Frühstück, Mittagessen, Nachmittagsimbiss und Abendessen.
»Für Sie und Ihre Frau Gemahlin«, sagte sie.
Expedito antwortete verärgert, die Gute da sei nicht seine Frau.
Die Rothaarige schwieg bloß.
Doña Emilias Beispiel folgte der dicke Chef des Minenladens (der Mann war fähig, auf einen Rutsch und ohne einmal aufzustoßen zwei gebratene Hühner zu verdrücken), klopfte Expedito leutselig auf die Schulter und sagte, wenn der Herr die Güte habe zu bleiben und für die Mannschaft spiele, dann schenke er ihm einen neuen Anzug aus englischem Kaschmir, Hemd und Krawatte dazu und außerdem ein hübsches Kleid mit Jäckchen für die Dame. Pelao Thompson, dem die Eisfabrik gehörte, bot Eis am Stiel umsonst, jeden Tag, in jeder gewünschten Geschmacksrichtung und wann immer sie wollten. Der Besitzer des Friseurladens versprach einen kostenlosen Prinz-Eisenherz-Schnitt, was hier draußen der letzte Schrei war, und eine Rasur dazu, und der Indio Pizarro, der das Kino betrieb, bot Freikarten für die gesamte Zeit ihres Aufenthalts und erklärte, dass die Kinos hier draußen jeden Tag einen anderen Film zeigten. Und wenn ihnen danach wäre, könnten sie drei Vorstellungen am Tag sehen: Matinee, Vorabend und spät.
Doch unser Traumkicker gab nicht nach.
Und ließ durch nichts erkennen, wie er zur Vernunft zu bringen wäre.
Als uns schon alle Argumente ausgegangen und wir drauf und dran waren, das Handtuch zu werfen, räusperte sich Tuny Robledo, der erst fünf Minuten zuvor in die Kneipe gekommen war, eine kalte Limo für daheim hatte kaufen wollen und sich kurz zu uns an den Tisch gesetzt hatte. Mit einem leichten Stottern sagte er, wenn Expedito ehrlich und von Herzen Green-Cross-Fan sei, dann müsse er schon allein zu Ehren des Andenkens von Lito Contreras, der immerhin einer der besten Spieler in deren Trikot gewesen sei, bis Sonntag bleiben.
»Falls Sie das nicht wissen«, sagte er. »Lito Contreras ist auf unserem Friedhof beigesetzt.«
Der Traumkicker sah ihn an wie vom Donner gerührt.
Wir anderen griffen uns innerlich an den Kopf, warum wir darauf nicht selber gekommen waren, und mischten uns eilig ein, um zu bestätigen, was der Junge sagte. Ja, in der Tat, Lito Contreras stamme von hier, und er liege hier draußen begraben, auf unserem Friedhof.
Expedito González kriegte den Mund nicht mehr zu. Schon immer sei er ein großer Fan von Manuel »Lito« Contreras gewesen, brach es endlich aus ihm heraus, aber dass er von hier kam, das hatte er nicht gewusst.
Weitere Kostenlose Bücher