Der Traumkicker - Roman
Herausforderungen, andere, um nach dem Militärputsch ihre Haut zu retten. Es fielen die Namen Carozo und Rigoto, wir erinnerten an Hugo Chaparro, an den großen Mono Martínez und an so viele andere, durch die, als sie noch hier gelebt und für uns gespielt hatten, unsere Mannschaft nahezu unbesiegbar gewesen war. Jetzt dagegen, wenn wir ehrlich sein wollten: Seit das Militär an der Macht war, hatten wir nicht ein erbärmliches Spiel gegen die Staubfresser gewonnen. Wie diese Spieler uns fehlten!
Als hätten wir uns vorher abgesprochen, malten wir ihm in leuchtenden Farben unseren schillerndsten Fußballtraum aus und achteten sehr genau darauf, dass unser Mann auch alles verstand und begriff, worauf wir hinauswollten. Unser Traum war es, dass eines Tages eine Art Fußball-Superheld in unsere Siedlung käme, ein Crack, der Eier in der Hose und das Herz am rechten Fleck hätte, der sich nicht am Ende für eine Sonderzulage oder ein Haus mit zwei Schlafzimmern an die Staubfresser verkaufte. Ein Genie am Ball, ein Dominator, dem die unglaublichsten Spielzüge gelangen und die spektakulärsten Tore, die man je auf einem Platz gesehen hatte, ein Neuner, der höher sprang als jeder Abwehrspieler der Welt und beim Köpfen in der Luft stand. »Wie ein Hubschrauber«, sagte Pata Pata. »Wie ein Kolibri«, sagte Tuny Robledo. »Wie ein Engel mit weiß-gelben Flügeln«, setzte Don Celestino Rojas eins drauf. Und aufgeregt wie die Kinder vor der Bescherung steigerten wir uns hineinin unseren Wahn und fabulierten und erfanden immer neue Fähigkeiten und malten uns die Tugenden aus, die unser Traumfußballer besaß: dass er fröhlich dribbelte wie ein Springinsfeld, sich anmutig und unerschrocken drehte wie ein Torero, schnell wie der Wind und sicher wie ein Seiltänzer an der Linie entlangspurtete, den Ball aus vierzig Metern seinem Mitspieler, wie per Einschreiben zugestellt, in den Lauf spielte, das Leder auftauchen und verschwinden ließ wie ein Magier sein Kaninchen, dass ihm in vollem Lauf der Ball wie angenäht am Schuh klebte, während in seinem Kielwasser die Gegenspieler purzelten, und er dabei das gesamte Feld im Blick behielt wie so ein Insekt, das im Flug mit seinen Kreiselaugen die Welt aus allen Blickwinkeln zugleich sehen kann.
Expedito González schaute die ganze Zeit unverwandt auf die Grabinschrift und sagte keinen Ton. Es war, als hörte er uns nicht. Doch während wir noch sprachen, konnten wir sehen, wie seine Schultern, sonst immer aufrecht und gespannt, kaum merklich nachgaben und nach unten sackten wie ermüdetes Material und wie der Glanz seiner irren Augen, sonst immer fiebrig, sich trübte wie unter einem Häutchen grenzenloser Schwermut. Während er versuchte, mit den Fingerspitzen den salpetrigen Staub von der Bronzetafel des Grabes zu wischen, begann er unvermittelt und wie zu sich selbst zu sprechen. An dem Tag, als er in unsere Siedlung kam, habe er schon auf dem Weg durch die Wüste immer deutlicher den Eindruck gehabt, er betrete eine andere Welt, in der die Zeit nicht existierte, in der sie so versteinert war wie die gesamte Gegend, wie die Luftringsum und die Sonne hoch oben am Himmel. Dass er sich durch die Einsamkeit und Stille, das Fehlen jeden Hauchs und den ringsum erschreckend kahlen Ausblick gefühlt habe, als ginge er geradewegs ins Fegefeuer. Aber das Ärgste von allem, meine Guten, sagte er düster und rieb sich den Staub von den Händen, das Ärgste sei gewesen, dass er jäh (und so deutlich wie einen Dorn im Schuh) die Vorahnung gespürt habe, er sei unentrinnbar und auf immer und ewig in diese unwirtliche, höllische Ödnis verbannt. Er und sein Fußball.
Dann fiel er in ein befremdliches Schweigen.
Eben hatte sich ein leichtes Lüftchen erhoben, und aus den Schloten der nahen Jodfabrik wehte eine Schwade schwefligen Qualms zu uns auf den Friedhof (reines sublimiertes Jod) und brannte in unseren Augen und im Hals.
Die Farbe des Qualms schob sich vor das Violett des Abends, das den Horizont zu färben begann.
Nachdem der Traumkicker lange vor sich hingestarrt und wir respektvoll geschwiegen hatten, bat er uns, ihn einen Moment mit der Rothaarigen allein zu lassen. Er wolle mit ihr unter vier Augen sprechen.
Ein paar von uns nutzten die Gelegenheit, verschwanden rasch hinter irgendeinem Grabaufbau und entledigten sich der Reste des vor dem Aufbruch in der Kneipe getrunkenen Biers, wir anderen ließen uns zum Reden und Rauchen etwa zwanzig Schritte von dem Paar entfernt auf
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