Der Tristan-Betrug
berichtete, der NKWD folge ihm auf Stalins ausdrücklichen Befehl auf Schritt und Tritt. Gerüchteweise hieß es, Stalin besitze handfeste Beweise dafür, dass einige seiner höchsten Offiziere mit Unterstützung des deutschen Oberkommandos planten, ihn durch einen Staatsstreich zu stürzen. Und einer dieser Verschwörer sollte ... Tuchatschewski sein!«
»Das ist doch völlig verrückt.«
»Meinst du? Ich weiß nicht mehr, was wahr ist. Ich weiß nur, dass mein Vater und er sich in privaten Gesprächen immer darüber einig waren, Stalin sei ein gefährlicher Mann.« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern.
»Mein Vater verabscheut Stalin. Das weiß ich bestimmt. Er lässt nicht zu, dass der Name Stalin bei uns erwähnt wird. Oh, in der Öffentlichkeit erhebt er überall sein Glas aufs Wohl des Generalsekretärs. Wo andere zuhören, lobt er Stalin in höchsten Tönen. Er ist schließlich nicht dumm. Aber er hasst diesen Mann. Und Tuchatschewski hat ihn ebenfalls gehasst.«
»Was waren das für >handfeste Beweise< die Stalin hatte? Sind sie jemals bekannt geworden?«
»Sie wurden nie veröffentlicht, nein. Aber es hat Gerüchte gegeben. Angeblich war dem NKWD aus Prag ein Dossier des tschechischen Geheimdiensts zugespielt worden. Es enthielt Schreiben sowjetischer Generale an ihre Kollegen im deutschen Oberkommando mit der Bitte um Unterstützung eines geplanten Staatsstreichs zum Sturz Stalins. Die Unterschriften, die Stempel, alles wurde genau geprüft und für echt befunden. Einer dieser Briefe trug die Unterschrift Marschall Tuchatschewskis.«
»Er hat einen solchen Brief geschrieben?«
»Diesen Vorwurf hat er natürlich bestritten. Aber seiner Auffassung nach war alles Leugnen zwecklos. Tuchatschewski war davon überzeugt, er und andere würden demnächst verhaftet werden.«
»Er ist also gekommen, um deinen Vater zu warnen?«
»Das muss mit ein Grund seines Besuchs gewesen sein. Vater hat ihm geraten, an Stalin persönlich zu schreiben, um dieses Missverständnis aufzuklären. Tuchatschewski hat erwidert, das habe er bereits getan, aber keine Antwort erhalten. Er hat gesagt, seine Tage seien gezählt, und er fürchte nicht nur um sein Leben, sondern auch um das seiner Angehörigen. Er war völlig verzweifelt.
Am nächsten Morgen fragte ich Vater, wer der nächtliche Besucher gewesen sei. Er hat's mir natürlich nicht gesagt. Er hat behauptet, das gehe mich nichts an. Aber mir ist aufgefallen, dass das gerahmte Foto, das ihn mit Tuchatschewski zeigte, nicht mehr auf dem Flügel stand. Später habe ich es, in Zeitungspapier verpackt, in einer Schublade gefunden. Und wenige Tage später wurden Tuchatschewski und sieben weitere Generale verhaftet. Sie wurden in einem Geheimprozess - das Verfahren dauerte kaum drei Stunden! - wegen Hochverrats und Spionage schuldig gesprochen.«
Ihre Hände umklammerten seine Hand schmerzhaft fest. Aber Metcalfe nickte nur und hörte weiter zu.
»Alle acht haben gestanden«, sagte sie. »Aber diese Geständnisse waren erpresst. Wie wir später erfuhren, waren sie gefoltert worden, und man hatte ihnen erklärt, sie könnten ihr Leben - und vor allem das ihrer Angehörigen - nur retten, indem sie gestanden, mit den Deutschen konspiriert zu haben. Sie wurden in der Lubjanka hingerichtet. Übrigens nicht im Keller, sondern tagsüber auf dem Hof. Während der Hinrichtung ließen NKWD-Männer die Motoren von Lastwagen aufheulen, um die Schüsse zu übertönen.« Sie machte eine lange Pause, und Metcalfe schwieg ebenfalls. Das einzige Geräusch war das gelegentliche Schnauben der Pferde. »Vor dem Erschießungskommando«, fuhr sie endlich mit brechender Stimme fort, »haben sie >Lang lebe Stalin!< gerufen.«
Metcalfe schüttelte den Kopf. Er legte ihr den freien Arm um die Schultern und drückte sie eng an sich.
»Und natürlich«, sagte Lana, »war dies nicht das Ende, sondern der Anfang einer wahren Blutorgie. Stalins großer Säuberung fielen über dreißigtausend Offiziere zum Opfer. Marschälle, Generale, Hunderte von Divisionskommandeuren, sämtliche Admirale der Kriegsmarine.«
»Lana, was hat diese schreckliche Geschichte mit dir zu tun?«
»Mein Vater«, flüsterte sie, »war einer der wenigen Generale, die nicht verhaftet wurden.«
»Weil er nichts damit zu tun hatte.«
Sie schloss die Augen. Ihr Gesicht war wie von Schmerzen verzerrt. »Weil man ihm nichts nachweisen konnte. Oder durch einen glücklichen Zufall. Auch so was passiert manchmal.«
»»Nichts
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