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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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eine Liste ein guter Ausgangspunkt. Sie würde Kleist viel Zeit sparen, wenn er von Hotel zu Hotel zog, um die verdächtigen Neuankömmlinge persönlich zu begutachten.
    Beim Gespräch mit diesem Mann vergeudete er nur kostbare Zeit. Aber General Ernst Köstring, der Militärattache, den er eigentlich hätte aufsuchen sollen, war heute auf Dienstreise und hatte ihn gebeten, sein Anliegen diesem Untergebenen vorzutragen.
    Der Bürokrat servierte ihm eine Ausrede nach der anderen. Der Mann war ein Meister des im deutschen Auswärtigen Dienst vorherrschenden Talents: Dinge durch Zaudern zu verschleppen. In den vergangenen zehn Minuten hatte er eine wahre Flut von Ausreden dafür improvisiert, dass er nichts tun konnte. Dieser Einstellung begegnete Kleist im Auswärtigen Amt oft - vor allem im Umgang mit dem Sicherheitsdienst, den die dortigen Beamten hassten und fürchteten.
    Dass sie den SD hassten, war Kleist ziemlich egal; dass sie ihn jedoch fürchteten, war zweifellos nützlich. Auch bei diesem kleinen Bürokraten, der sich, nach Rosmarinhaarwasser und Blähungen riechend, hinter seinem kleinen Schreibtisch aufspielte: Er mag mich nicht, aber er fürchtet mich. Diese Bürohengste mit ihren schlaffen Ärschen, ihren schlaffen Seelen widerten ihn an. Sie waren ängstliche, missgünstige Krämerseelen, die sich Männern wie dem Geiger überlegen fühlten, obwohl sie in Wirklichkeit nur Spatzen waren, die sich im Luftstrom hinter einem Adler treiben ließen, oder Mäuse, die in der Nähe eines Löwen Schutz suchten. Diese Virtuosen der Büroklammer und des Heftgeräts - wie banal war ihre Existenz, wie eintönig ihr Leben! Sie ahnten nichts, würden nie etwas von der Transzendenz wissen, die Kleist und sein Mentor Reinhard Tristan Eugen Heydrich kannten: den Freudentaumel, gute Musik zu spielen, die Zuhörer zu Tränen rühren konnte. Oder den ähnlichen Taumel, wenn man jemandem das Leben nahm, was eine andere Art von Musik war: gemessen, rhythmisch, kontrolliert, nicht nur Geschick, sondern Instinkt erfordernd -eine Kunst.
    Kleist starrte unwillkürlich auf den Hals des Beamten, als der kleine Mann ihm nervös schluckend erklärte, weshalb das unmöglich sei, warum sie den NKWD nicht um eine derartige Aufstellung bitten konnten, warum sie nicht mit der sowjetischen Geheimpolizei zusammenarbeiteten, nicht mit ihr zusammenarbeiten konnten, weil diese schließlich gegen sie arbeitete, sie misstrauisch überwachte, auch wenn die offizielle Politik anders lautete . Der Geiger beobachtete den hüpfenden Adamsapfel des Mannes, den Schildknorpel seines Kehlkopfs, die Bänder und Sehnen und die weiche Muskelhaut. Er war so nackt, so verwundbar. Kleist stellte sich kurz vor, wie es wäre, eine kalte, hochfeste E-Saite um diesen fetten Hals zu legen, sie ruckartig anzuziehen und so diesen Strom hervorquellender Scheiße zu stoppen! Er sah den spitzen Brieföffner auf dem Schreibtisch des Bürokraten und fragte sich, wie es sein müsste, ihn durch einen Augapfel dieses Schwätzers in die weiche Gehirnmasse zu treiben.
    Etwas in der Miene des Geigers, ein unmerkliches Aufblitzen seines bösartigen kleinen Wachtraums musste plötzlich bei dem Mann angekommen sein, denn Kleist sah, wie seine Pupillen sich reflexartig verkleinerten, während er heftig zu blinzeln begann, um dann plötzlich einzulenken.
    ». was natürlich nicht heißt, dass wir hier in Moskau keine Kontakte hätten«, fuhr er hastig fort. »Wir müssen nur unsere Kollegen in der entsprechenden Abteilung des Außenministeriums ein bisschen schmieren. Sie führen Listen aller ins Land einreisenden Ausländer.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Kleist. »Wann kann ich die Liste haben?«
    Der Bürokrat schluckte, versuchte aber, seine Ängstlichkeit durch ölige Verbindlichkeit zu überspielen. »Ich denke, wir müssten bis Ende der Woche .«
    »Heute. Ich brauche die Liste heute.«
    Der Mann wurde blass. »Wie Sie wünschen, Herr Hauptsturmführer. Ich versichere Ihnen, ich tue mein Bestes.«
    »Und wenn's nicht zu viel verlangt ist - haben Sie vielleicht ein Zimmer für mich, in dem ich Geige üben kann, während ich auf die Liste warte.«
    »Gewiss, Herr Hauptstürmführer. Darf ich Ihnen mein Büro zur Verfügung stellen?«

Kapitel Neunzehn
    »Heiliger Strohsack, was haben Sie denn angestellt?«, rief Ted Bishop laut, als Metcalfe die Halle des Hotels Metropol betrat. »Sie sehen so schlimm aus, wie ich mich fühle. Sogar noch schlimmer als Ihr Zimmer, nachdem die

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