Der Tristan-Betrug
CVJM-Jungs damit fertig waren.«
Metcalfe blinzelte ihm zu, ging aber zum Aufzug weiter. »Sie hatten Recht - die russischen Mädels können ganz schön wild sein.«
»Ich glaube nicht, dass ich das irgendwann gesagt habe.« Bishop wirkte verwirrt. »War bisher eigentlich nicht meine Erfahrung.« Er kam näher, schützte seine blutunterlaufenen Augen mit einer Hand vor grellem Licht, und fügte vertraulich hinzu: »Sie scheinen eine internationale Anhängerschaft zu haben.«
»Wie das?«
»Nicht nur Tschekisten von GRU oder NKWD. Damit muss man hierzulande rechnen. Aber jetzt schnüffeln auch die Krauts hinter Ihnen her.«
»Deutsche?«
»Heute Morgen war ein Kraut-Gentleman hier und hat sich am Empfang nach den Namen kürzlich eingetroffener Gäste erkundigt. Genauer gesagt nach Ausländern, die seit letzter Woche hier abgestiegen sind.«
Metcalfe blieb abrupt stehen, drehte sich um und bemühte sich, den Nonchalanten zu spielen. »Mann, die Nazis richten sich in Moskau schon mal häuslich ein, was?«, versuchte er zu scherzen. »Fast zu bequem, finden Sie nicht auch?«
Bishop zuckte mit den Schultern. »Dem Typ nach vom SD -vom Sicherheitsdienst, der SS-Geheimpolizei. Aber hier am Empfang ist er nicht recht weitergekommen. Verständigungsschwierigkeiten, wissen Sie. Außerdem mögen die Russkis keine Fragen außer solchen, die sie selbst stellen.«
»Hat er die gewünschten Namen bekommen?« Kürzlich eingetroffene Gäste? Ausländer? Das konnte Zufall sein, aber Metcalfe glaubte nicht recht daran. Wieso ein Deutscher?, fragte er sich.
»Ich habe den Kerl zu einem freundlichen kleinen Schwatz beiseite genommen. Sie wissen ja, wie wir nach Neuigkeiten gieren - ich dachte, er wüsste vielleicht etwas über die Zukunftspläne der Krauts; Tratsch, Gerüchte, irgendetwas, das sich ausschlachten ließ. Vielleicht würde er wenigstens ein paar Zeilen in meinem nächsten Korrespondentenbericht wert sein. Sie wissen schon: >Wie wir von einem deutschen Moskaubesucher erfahren .. .< Zeitungsleser lieben solchen Quatsch. Ich habe alle meine Fähigkeiten als Interviewer eingesetzt. Wir haben uns lange und gut unterhalten.«
»Worüber?«
»Der Kerl ist wirklich ein verdammt guter Musikkenner. Kennt Walter Gieseking persönlich. Und Elisabeth Schwarzkopf auch.«
»Hat er nach den Namen von Gästen gefragt?«
»Ja. Darauf ist er immer wieder zurückgekommen.«
»Und haben Sie ihm weiterhelfen können?« Metcalfe bemühte sich um einen lockeren Tonfall.
»Er hat gesagt, ein alter Freund habe ihn gebeten, jemanden aufzusuchen. Hat gesagt, er könne sich nicht an den genauen Namen erinnern. Einfach jemand, der vor kurzem aus Paris angekommen ist.«
»Nun, dann komme ich nicht in Frage.«
»Mag schon sein. Jedenfalls bin ich besser darin, Informationen zu bekommen, als selbst welche zu geben. Eine Berufskrankheit. Irgendwas an seiner Story hat leicht faul gerochen, muss ich sagen. Er konnte sich nicht an den genauen Namen erinnern? Bitte! Lass dir was anderes einfallen; dieser Trick ist uralt!«
*
Roger Martin schlief noch, als Metcalfe an seine Zimmertür klopfte. »Hast du Lust auf einen Spaziergang?«, fragte Metcalfe.
»Nicht besonders«, ächzte Roger verschlafen.
»Dann eben ohne Lust. Los, gehen wir!«
Als die beiden das Metropol verließen, folgten ihnen zwei neue NKWD-Agenten, die sofort Beschatterpositionen einnahmen, die Metcalfe als Teil ihrer Standardtechnik bei Überwachungen erkannte. Einer folgte ihnen mit gewissem Abstand; der andere überquerte die Straße und ging parallel zu ihnen weiter. Sie waren keine Amateure, aber sie waren auch nicht besonders gut. Trieb sich irgendwo in der Nähe auch ein bisher unentdeckter Dritter herum - der blonde Agent, der im Vergleich zu diesen beiden mittelmäßigen Typen der reinste Houdini war? Das war natürlich denkbar. Aber Metcalfe war entschlossen, keinem ihrer Beschatter einen Grund für Besorgnis oder Misstrauen zu liefern. Roger und er mussten nur miteinander reden - hier im Freien, außerhalb der Reichweite der im Hotel installierten Mikrofone. Ihre Bewegungen würden regelmäßig und stets berechenbar bleiben.
Seine Beobachter mussten den Eindruck haben, Metcalfe mache einen flotten Morgenspaziergang entlang der verkehrsreichen Avenue: ein Geschäftsmann, der sich einen Vormittag für Besichtigungen freinahm. Aber sein Tonfall war alles andere als gemächlich. Er schilderte Roger hastig, was alles passiert war - von der aggressiven Durchsuchung
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