Der Tristan-Betrug
seines Hotelzimmers über den meisterhaft agierenden Überwacher, der ihm zugewiesen worden war, bis hin zum alarmierenden Verschwinden des Funkgeräts.
Rogers Gesichtsausdruck wurde stetig ernster; als er von dem verschwundenen Funkgerät hörte, fuhr er sichtbar zusammen. »Nach all der Mühe, die es gekostet hat, das verdammte Ding zu vergraben«, sagte er. »Und noch dazu unbeobachtet.«
»Siehst du eine Möglichkeit, ein ähnliches Gerät zu bauen? Den Kristall habe ich noch; eine Morsetaste lässt sich sicher beschaffen, und andere Teile könnten wir aus Kurzwellenempfängern ausbauen .«
»Findest du, dass das praktikabel klingt?«, unterbrach Roger ihn.
»Wahrscheinlich nicht«, gab Metcalfe zu.
»Das kann man vernünftigerweise kaum von jemandem erwarten, stimmt's?«
»Stimmt.«
»Genau. Ich möchte nur, dass wir uns darüber im Klaren sind.«
»Glasklar. Absurd von mir, dass ich das vorgeschlagen habe. Auf keinen Fall zu machen. Aber es muss .«
»Dann mache ich's.«
Metcalfe grinste. »Ich wusste, dass du's machen würdest, Scoop.«
»Das dauert mindestens einen Tag, vielleicht auch zwei.«
»Natürlich. Aber ich muss Corky schon vorher erreichen.« Corcoran musste von dem verschwundenen Funkgerät erfahren; sonst würde er aus dem Ausfall der Funkverbindung schließen, Metcalfe sei geschnappt worden.
»Aber wie? Wir sind abgeschnitten, bis es mir gelingt, ein Funkgerät zu improvisieren. Wenn es mir gelingt, wollte ich sagen.«
Metcalfe schwieg lange nachdenklich. »Es gibt eine Möglichkeit, von der Corky mir erzählt hat«, sagte er dann.
»Aber ich soll sie nur im äußersten Notfall benützen.«
»Ich nehme an, du meinst nicht eine Nachricht per Kurier. Das dauert endlos lange - mindestens ein paar Tage. Der einzig sichere Übermittlungsweg für diplomatische Nachrichten ist der Telegraf. Telegramme nutzen kommerzielle Kabel, aber sie sind verschlüsselt.«
»Und sie sind nicht sicher.«
»Nicht sicher? Das ist die sicherste Übermittlungsmethode, die's gibt! Euer Botschafter benützt sie, um Verbindung mit dem Präsidenten zu halten, verdammt noch mal!«
»Sie ist sicher - vor den Russen. Aber nicht vor unseren eigenen Leuten. Die Feinde im Inneren sind ebenso gefährlich wie die äußeren.«
»Jesus«, sagte Roger. »Was empfiehlt Corky also?«
»In unserer Botschaft gibt's offenbar eine abhörsichere Telefonverbindung, deren Existenz sogar vor den meisten Mitarbeitern geheim gehalten wird. Die gesprochene Nachricht geht verschlüsselt und verzerrt über Funk nach Estland, wird dort verstärkt und in ein Überseekabel eingespeist.«
»Der schwarze Kanal«, flüsterte Roger ehrfürchtig. »Jesus, davon habe ich immer mal wieder gerüchteweise gehört, aber ich war überzeugt, das sei alles nur bloßes Geschwätz.«
»Offenbar wird die Verbindung selten genutzt. Weil häufige Benützung die sowjetischen Abhörspezialisten alarmieren würde, bleibt der Gebrauch auf Notfälle beschränkt.«
»Und Corkys Mann in der Botschaft hat Zugang dazu?«
Metcalfe nickte.
»Wieso hast du's so eilig?«
»Irgendwas ist hier nicht in Ordnung. An dem Auftrag, mit dem Corky mich hergeschickt hat, ist etwas faul. Rudolf von Schüssler ist überhaupt nicht der Typ eines Doppelagenten, aber das muss Corky gewusst haben! Corky weiß viel mehr als ich.«
Roger wirkte nachdenklich. »Du glaubst, dass hier noch etwas anderes vorgeht?«
»Todsicher! Sonst hätte Corky mich völlig umsonst losgeschickt - und das ist überhaupt nicht seine Art. Er hat immer alles perfekt vorbereitet, dann erst schickt er seine Männer in feindliches Gebiet. Für ein derart spekulatives Unternehmen hätte er mich nie Hals über Kopf aus Paris abgezogen. Das ist nicht logisch! Das passt einfach nicht zusammen.«
»Nein«, sagte Roger. »Du hast Recht, glaube ich. Das ergibt keinen Sinn.«
Metcalfe trennte sich von Roger und erreichte auf Umwegen die amerikanische Botschaft. Unterwegs kam er an einem klassizistischen Gebäude vorbei, das durch eine Messingtafel als deutsche Botschaft ausgewiesen wurde. Er sah zu der imposanten Fassade auf und dachte an Rudolf von Schüssler. Alle Informationen, die er über den Diplomaten gesammelt hatte - auch ihr kurzes Gespräch in der amerikanischen Botschaftsdatscha -, ergaben das ziemlich präzise Porträt eines Karrieristen. Weder mutig noch clever, weder ein eifriger Nazi noch ein glühender Nazigegner.
Was hatte Corky also im Sinn? Warum zum Teufel hatte Corky ihn hierher
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