Der Tristan-Betrug
geschickt?
Aus einem offen Fenster in der Seitenfront der deutschen Botschaft drang Musik. Wer bei dieser Kälte das Fenster aufreißt, muss ein Frischluftfanatiker sein, dachte Metcalfe beiläufig. Die Musik war sehr hörenswert: Dort drinnen spielte jemand erstaunlich gut Violine. Aber welches Stück, fragte er sich. Dann kam ihm von irgendwoher der Titel in den Sinn: »Der Totentanz.« Wie deutsch das war, diese eigentümliche und finstere Mischung aus Kultur und Tod.
Kurz bevor er die amerikanische Botschaft erreichte, nahm er am äußersten Rand seines Blickfelds eine rasche Bewegung wahr. Er sah sich um und erkannte unter einer Pelzmütze die hohen sibirischen Wangenknochen des Blonden. Das war der NKWD-Mann, der vor Lanas Wohnung auf ihn gewartet und ihn zur Party in der Datscha gefahren hatte. Jetzt war er wie aus dem Nichts vor der Botschaft aufgetaucht, als habe er Metcalfe dort erwartet. Als überlasse er die simple Aufgabe, Metcalfe vom Hotel aus zu verfolgen, seinen weniger begabten Kollegen. Darüber war dieser Beschatter längst hinaus, mit solchen Lappalien gab er sich nicht mehr ab. Er schien zu wissen, wohin die Zielperson unterwegs war.
Metcalfe machte kehrt, wollte den NKWD-Agenten stellen, aber der Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Auch gut, sagte er sich. Der Beschatter mochte die übernatürliche Fähigkeit besitzen, Metcalfes Bewegungen vorauszuahnen, aber was hatte er dabei schließlich erfahren? Dass ein amerikanischer Geschäftsmann die Botschaft seines eigenen Landes aufsuchte, war keineswegs ungewöhnlich. Falls dies nichts als psychologische Einschüchterung war, sollten die Kerle sich nur nach Kräften anstrengen. Das würde bei ihm nicht wirken.
*
Amos Milliard kam mit missmutiger Miene in den kleinen Empfangsbereich der Konsularabteilung. Er war von diesem Wiedersehen mit Metcalfe offenbar nicht sehr begeistert.
Metcalfe setzte ihm die Gründe für seinen Besuch auseinander. Milliard stimmte widerstrebend zu. »Sie wollen ins >Verlies<«, sagte er. »Wie ein Burgverlies. Es wird eifersüchtig behütet, streng bewacht. Ich benütze es selbst nur gelegentlich. Jetzt muss ich mir irgendeinen Vorwand für meine Kollegen einfallen lassen.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte Metcalfe.
»Richten Sie Corky aus, dass ich eine Gehaltserhöhung will«, antwortete der Diplomat.
Eine Viertelstunde später führte Milliard ihn durch ein Labyrinth aus abgesperrten Korridoren, bis sie vor einer Stahltür standen. Wie Metcalfe unterwegs hörte, war dies der sicherste Bereich des Botschaftsgebäudes. Der Diplomat machte sich methodisch daran, auf einem großen schwarzen Zahlenschloss die heute gültige Kombination einzustellen. Milliard brauchte mehrere Minuten, um die Tür zu öffnen; offenbar kam er nur selten hierher.
Auf dem gesicherten Korridor hinter der Stahltür deutete Milliard auf eine als SCHALTRAUM gekennzeichnete Tür, hinter der nicht nur die Verteilerkästen für den schwarzen Kanal standen, sondern auch die ankommenden Fernschreib- und Fernsprechkabel endeten. Dann blieb er vor einer unbeschrifteten Tür stehen, die zusätzlich mit drei sehr kompliziert aussehenden Schlössern gesichert war. Dahinter lag ein winziger Raum, der auf den ersten Blick an eine Telefonzelle erinnerte: ein schmaler, nicht sehr tiefer Raum mit Stahlwänden. Tatsächlich war er nicht viel größer als ein Sarg. Der einzige Einrichtungsgegenstand war ein Metallstuhl. Auf einer kleinen stählernen Ablage stand ein Telefon mit ungewöhnlich großem Gehäuse aus schwarzem Bakelit.
Dies war das abhörsichere Kommunikationsmodul, das Milliard gemeint hatte, als er von dem Verlies gesprochen hatte. Es war kaum mehr als eine Stahlbox, die mit modernster Technik schalldicht gemacht worden war. Aus ihr konnte kein Laut nach außen dringen. Sobald Metcalfe Platz genommen hatte, schloss Milliard die schwere Tür hinter ihm und sperrte sie ab.
Metcalfe hatte Mühe, eine leichte Panik und aufkommende Platzangst zu unterdrücken. In die Tür war ein kleines Bullauge eingelassen, durch das er beobachten konnte, wie Milliard den Raum genau gegenüber betrat, um von dort aus den Verbindungsaufbau zu überwachen und sicherzustellen, dass nichts schief ging.
Im Verlies war die Luft abgestanden und still. Hier gab es keine Lüftung - anscheinend eine weitere Schallschutzmaßnahme -, und in der kleinen Box wurde es rasch heiß, während Metcalfe wartete. Milliard hatte die Verbindung über den schwarzen Kanal
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