Der Tristan-Betrug
Obdachlose. In dieser Gesellschaft gibt's für uns keine feste Arbeit, keine Wohnung. Wir sind alle Flüchtlinge.«
»Vor wem?«
»Vor dem NKWD. Wir vier - und es gibt bestimmt Dutzende von Flüchtlingen, die ebenfalls in Luftschutzräumen hausen -verbergen uns vor den Sicherheitsbehörden. Vor der Geheimpolizei.«
»Wie seid ihr ihnen entkommen?«
»Wir sind geflüchtet, bevor sie uns verhaften konnten. Wir waren in die Lubjanka vorgeladen oder sind gewarnt worden, dass der NKWD uns abholen würde.«
»Aus welchem Grund?«
»Aus welchem Grund?«, höhnte Serjoscha, der Mann mit der Beule an der Stirn. Er meldete sich erstmals zu Wort, seit er Metcalfe überfallen hatte. »Sie sind jetzt dazu übergegangen, Leute willkürlich zu verhaften. Sie verhaften grundlos oder wenn auch nur der geringste Verdacht besteht. Du kommst aus der Ukraine, sagst du? Willst du etwa behaupten, dass es dort anders zugeht?«
»Nein, nein«, sagte Metcalfe hastig. »Bei uns ist's nicht besser. Aber ich brauche eure Hilfe. Ihr müsst mir helfen, hier rauszukommen, ohne geschnappt zu werden. Das muss möglich sein! Auch ich bin auf der Flucht vor dem NKWD.«
»Du bist ein politisch Verfolgter wie wir?«, fragte der Professor. »Ein Flüchtling?«
»In gewisser Beziehung«, antwortete Metcalfe vage. Dann machte er eine Pause und überlegte kurz. »Ja. Auch ich bin ein Flüchtling.«
Kapitel Siebenundzwanzig
Der betonierte Innenhof war klein und ebenso heruntergekommen wie das renovierungsbedürftige Gebäude, das ihn in einem schäbigen Viertel im Südwesten Moskaus umgab. Weggeworfene Zeitungen wirbelten bei jedem Windstoß über den Hof; überall lagen Abfallhaufen. Niemand säuberte diesen Hof; niemand beachtete ihn auch nur. Selbst das Wort Hof war viel zu großartig für diese betonierte kleine Fläche, deren Mittelpunkt ein gusseiserner Gullydeckel bezeichnete.
Niemand sah, wie der Gullydeckel sich leicht drehte, niemand sah, wie er hochgestemmt wurde, und niemand sah den einzelnen Mann, der auf einer von dem unten verlaufenden Abwasserkanal heraufführenden Leiter rasch aus dem Gully kletterte. Der Mann schob den Gullydeckel wieder zurecht und war keine Minute später verschwunden.
Niemand sah ihn aus dem Durchgang zum Hof kommen. Niemand sah ihn im Straßengewirr des schäbigen Arbeiterviertels verschwinden.
*
Ungefähr eineinhalb Stunden später fuhr ein mit Brennholz beladener alter Lastwagen auf einen weiteren Innenhof in einem weit besseren Viertel Moskaus. Der Wagen war ein klappriger alter GAS-42, der dichte Qualmwolken ausstieß. Der Motor tuckerte im Leerlauf weiter, während er an der Brennstoffrutsche hinter einem eleganten Wohngebäude in der Petrowkastraße hielt.
Der Lastwagenfahrer und sein Helfer stiegen aus dem Fahrerhaus und machten sich daran, ofenfertiges Brennholz auf die Rutsche zu werfen, über die es laut polternd in den großen Vorratsbehälter im Keller hinabrutschte. Diese Lieferung erfolgte außerplanmäßig, aber mitten in diesem ungewöhnlich kalten Winter würde niemand in Moskau sich über eine zusätzliche Brennholzlieferung wundern. Sobald eine ansehnliche Holzmenge abgeladen war, betrat der zweite Mann, der Beifahrer, den Keller durch den Lieferanteneingang und machte sich daran, das Holz sauber aufzustapeln. Als der Fahrer an den Eingang trat und sich gewichtig räusperte, drückte der Beifahrer ihm einen Packen Geldscheine in die Hand: weit mehr, als die Fuhre Brennholz kostete, und mehr als genug, um den Mann für seinen außerplanmäßigen Abstecher zu entlohnen.
Hätte jemand zugesehen - was jedoch niemand tat -, hätte er sich vielleicht darüber gewundert, dass der Fahrer wieder einstieg und mit dem Lastwagen davonfuhr, während sein Helfer weiter Brennholz aufstapelte.
Zwei Minuten später verließ Metcalfe den Keller und stieg mehrere Treppen bis zu der vertrauten mit Leder gepolsterten Tür hinauf, an der er klingelte. Sein Puls beschleunigte sich wie jedes Mal, wenn er vor Lanas Wohnungstür stand. Aber diesmal sprach daraus nicht Vorfreude, sondern Angst. Dank Serjoscha, den er in der U-Bahn niedergerungen hatte, und dessen Freund, dem Lastwagenfahrer, hatte er es bis hierher geschafft. Trotzdem blieb sein Besuch in dieser Wohnung riskant. Und er brach damit sein Lana gegebenes Versprechen, nie wieder herzukommen.
Er hörte schwere Schritte, und als die Wohnungstür aufging, war er nicht überrascht, das runzlige Gesicht der Haushälterin vor sich zu sehen.
»Da? Schto
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