Der Tristan-Betrug
dass daraus etwas Gutes entstehen wird.« »Während ihr tragisch veranlagten Russen glaubt, dass es nichts gibt, aus dem etwas Gutes entstehen kann.«
»Nein«, sagte sie streng. »Ich weiß nur, dass nichts jemals klappt wie geplant. Nichts.«
»Hoffentlich behältst du Unrecht.«
»Du hast weitere Dokumente für mich, stimmt's?«, fragte Lana, weil ihr das noch versiegelte Päckchen in der Innentasche seiner auf dem Küchentisch liegenden Jacke auffiel.
»Die letzte Lieferung«, sagte Metcalfe.
»Die letzte? Wird er sich nicht wundern, wenn der Strom plötzlich versiegt?«
»Schon möglich. Vielleicht solltest du ihm immer nur ein paar Schriftstücke geben.«
»Ja. Das wäre glaubwürdiger, denke ich. Aber was erzähle ich ihm, wenn keine mehr kommen?«
»Du spielst die Ratlose. Du behauptest, keine Ahnung zu haben, weshalb dein Vater keine Akten mehr mit nach Hause bringt - aber du kannst ihn natürlich nicht danach fragen. Du kannst nur vermuten, dass die Sicherheitsvorschriften so verschärft worden sind, dass er kein Geheimmaterial mehr mitnehmen darf.«
Sie nickte. »Dazu muss ich eine bessere Lügnerin werden, als ich bisher bin.«
»Das ist manchmal eine notwendige Fähigkeit. Schrecklich, aber wahr.«
»Wir Russen haben ein Sprichwort, das besagt: Wer zu lange gegen einen Drachen kämpft, wird selbst einer.«
»Und in Amerika heißt es: Die Wahrheit sagen kann jeder Trottel; man braucht Talent, um gut zu lügen.«
Sie verließ kopfschüttelnd die Küche. »Ich muss mich anziehen und ins Theater fahren.«
Metcalfe schlitzte die Zellophanhülle mit seinem Taschenmesser auf. Diesmal hatte Corky keinen Brief beigelegt. Während er die Dokumente rasch überflog, fragte er sich, ob Lana auch nur einen Blick auf die Schriftstücke warf, die sie weitergab. Jedenfalls war sie weit klüger und urteilsfähiger, als er bisher geahnt hatte.
Und wenn sie die Dokumente genau studierte? Was würde sie dann erkennen? Metcalfe hatte ihr versichert, all die Statistiken und geheimen Berichte seien Bestandteile eines Puzzles, das den Nazis beweisen werde, wie schwach - und deshalb gefügig - Russland sei. Sie würde in den Schriftstücken sehen, was sie darin sehen sollte, oder etwa nicht?
War sie womöglich politisch scharfsinnig genug, um zu erkennen, dass in Wirklichkeit eine ganz andere Botschaft übermittelt wurde: dass Russland wehrlos und deshalb ein lohnendes Ziel für einen deutschen Überfall war? Diese Möglichkeit machte ihm Sorgen.
Allerdings hatte Lana bisher nichts gesagt, was darauf schließen ließ, sie fühle sich getäuscht. Ein riskantes Spiel, das Corcoran ihn hier spielen ließ - auf mehrfacher Ebene riskant.
Als er den Packen Schriftstücke durchblätterte, fiel ihm ein Blatt auf, das mit einem scheinbar sinnlosen Gewirr aus Buchstaben- und Zahlengruppen bedeckt war. Ein verschlüsseltes Dokument, das erkannte er sofort. Metcalfe sah genauer hin, las die Kennung zu Beginn der Fünfergruppen und erkannte den Code.
Es handelte sich um den nach dem großen russischen Feldherrn aus dem 18. Jahrhundert benannten Militärcode Suwarow. Diesen Code hatten die Deutschen geknackt, das wusste Metcalfe. Im sowjetischen Konsulat in Petsamo hatten finnische Soldaten ein nur angesengtes Codebuch erbeutet und den Deutschen überlassen. Die Briten, die den deutschen Funkverkehr überwachten, hatten bestätigt, dass die Deutschen den Code tatsächlich geknackt hatten. Davon ahnten die sowjetischen Streitkräfte jedoch nichts.
Metcalfe verstand sofort, weshalb so viele der WOLFSFALLE-Dokumente mit dem Code Suwarow verschlüsselt waren. Das war ein Geniestreich von Corcoran.
Verschlüsselte Dokumente mussten den Deutschen automatisch faszinierender und irgendwie glaubwürdiger erscheinen, weil die Verschlüsselung ihre vorgetäuschte Wichtigkeit unterstrich.
Die meisten Schriftstücke konnte Metcalfe deshalb nicht lesen. Aber er überflog die in Klartext verfassten Dokumente und erkannte rasch, dass an dieser Lieferung etwas anders war. Das den Deutschen zuvor zugespielte Material hatte die Rote Armee als überraschend schwach dargestellt, auch wenn sie verzweifelt aufzurüsten versuchte.
Diese Lieferung »enthüllte« den Grund für die forcierte Aufrüstung der sowjetischen Streitkräfte. Hier wurden Einzelheiten der geplanten Wiederaufrüstung genannt, die insgesamt ein schockierendes Bild ergaben.
Zu den Dokumenten gehörten Bestellungen für Tausende von hochmodernen Panzern, weit schwerer und
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