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Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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erfahren.«
    »Großer Gott«, flüsterte Metcalfe. Er hatte immer angenommen, die privilegierten Diener des Sowjetsystems blieben von seinen Grausamkeiten verschont. Aber darauf war offenbar kein Verlass.
    »Ich brauche Ihnen keine Geschichten über das Schicksal von Freunden und Kollegen in der GRU zu erzählen. Ein neuer GRU-Chef wird ernannt; er bringt seine Lakaien mit und befördert seine eigenen Leute, die sofort mit einer Säuberung beginnen, sie beseitigen unverzüglich ihre Feinde. Und so entsteht ein endloser Zyklus aus willkürlichen Grausamkeiten. Sie kennen das alte gnostische Symbol des ouroboros, des Schlangen-Drachen, der seinen eigenen Schwanz verschlingt -der sich dadurch ernährt, dass er sich selbst verschlingt. Das ist ein Sinnbild für die Tyrannei des Staats. Die Revolution frisst ihre Kinder. Die russische Revolution hat Lenin hervorgebracht - ein Ungeheuer, das von der Welt für einen Erlöser gehalten wird, obwohl es das sowjetische Lagersystem geschaffen hat -, und sie hat das Monster Stalin ausgebrütet. Und Stalin wird seinerseits irgendein anderes Ungeheuer zeugen, und so geht der Zyklus bis in alle Ewigkeit weiter. Und die Maschinerie des Terrors, die Stalin zur Erhaltung seiner Macht einsetzt, verzehrt sich selbst; sie verschlingt des russische Volk, während immer neue Terrorzyklen ablaufen. Die Maschinerie nährt sich von den Menschen, die sie terrorisiert: Sie verschlingt die eigene Bevölkerung. Sie sagen, ich sei einer der Gefängniswärter. Ich sage Ihnen, wie ich schon in Moskau festgestellt habe, dass ich nur ein Schräubchen an der Guillotine bin.«
    »Aber Sie haben mir zur Flucht verhelfen. Sie kennen das Netzwerk von Untergrundkämpfern, die Flüchtlinge ins Ausland schmuggeln - Sie hätten jederzeit fliehen können!«
    »Oh, glauben Sie das wirklich? Flüchtet ein gewöhnlicher Russe, zucken die Herrschenden nur mit den Schultern; er ist ihnen gleichgültig. Flüchtet dagegen einer der Gefängniswärter, lassen sie nichts unversucht, um ihn zur Strecke zu bringen.
    Spezielle NKWD-Trupps werden losgeschickt, um Geheimdienstler zu ermorden, die zu desertieren gewagt haben. Ohne Schutzpatron - ohne den Schutz einer westlichen Regierung - wäre ich binnen weniger Tage tot. Und wie ich schon gesagt habe, könnte ich den Leuten, für die Sie arbeiten, von großem Nutzen sein.«
    Metcalfe schwieg nachdenklich. Dies war keine List; Kundrow meinte seinen Vorschlag ernst. Sein Hass auf Stalins Russland war echt; seine geplante Desertion war offenbar etwas, über das er seit Jahren lange und intensiv nachgedacht hatte. Trotzdem schüttelte Metcalfe jetzt den Kopf. »In Moskau können Sie Ihrem Volk mehr nützen.«
    »Nur wenn ich überlebe«, erwiderte Kundrow spöttisch lächelnd. »Aber in meinem Fall ist's nur eine Frage der Zeit, bevor auch ich durch Genickschuss erledigt werde.«
    »Sehen Sie sich nur an, wie lange Sie durchgehalten, wie Sie innerhalb des Systems Karriere gemacht haben.«
    »Ich besitze die chamäleonhafte Fähigkeit, den Tyrannen, denen ich diene, als loyaler Untergebener zu erscheinen. Das ist ein Überlebensmechanismus.«
    »Das ist eine Fähigkeit, die Ihnen noch sehr nützlich sein wird.«
    »Das ist eine Fähigkeit, die seelenzerstörend wirkt, Metcalfe.«
    »Vielleicht, wenn sie nur dem Überleben dient. Aber vielleicht auch nicht, wenn sie ein weiteres Ziel fördert.«
    »Jetzt muss ich fragen, wie Sie das meinen.«
    »Verstehen Sie das nicht? Was soll aus Russland werden, wenn jeder wie Sie das Land verlässt? Was soll aus - der Welt werden? Nur Männer wie Sie können das System von innen heraus verändern und Stalins Russland daran hindern, die Erde zu vernichten!«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass ich nur ein Schräubchen an der Guillotine bin.«
    »Sie mögen heute noch unbedeutend sein, aber in fünf oder zehn Jahren können Sie zur sowjetischen Führungsschicht gehören. Sie können einer der Männer werden, die mithelfen, den künftigen Kurs Ihres Landes zu bestimmen.«
    »Wenn ich am Leben bleibe. Wenn ich nicht vorher erschossen werde.«
    »Keiner versteht sich besser darauf, in diesem System zu überleben, als Sie. Und nicht einmal Stalin herrscht ewig, auch wenn's manchmal so aussehen mag. Irgendwann stirbt auch er .«
    »Und an seine Stelle tritt ein weiterer Stalin.«
    »An seine Stelle tritt ein neuer Führer. Ob er ein weiterer Stalin oder ein Erneuerer sein wird - wer könnte das schon jetzt sagen? Vielleicht ist er ein Mann wie Sie.

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