Der Tristan-Betrug
ausgebildet; wahrscheinlicher war jedoch, dass sie nur darauf abgerichtet waren, das Schloss gegen von außen kommende Eindringlinge zu bewachen.
Metcalfe trat lautlos aus dem Carport. Als Erstes nutzte er die niedrige Buchsbaumhecke, von der die Zufahrt gesäumt war, um auf allen vieren über den Rasen zu kriechen. Als die Hecke aufhörte, schob er sich, auf dem Bauch liegend, weiter. So erreichte er nach kurzer Zeit das Hauptgebäude und huschte um die linke Ecke nach hinten, um einen Dienstboten- oder Lieferanteneingang zu suchen.
Er fand ihn mühelos: eine schmale Holztür, die zum Glück unversperrt war. Schloss Sunderburg war so gut bewacht, lag hinter Wällen und Toren so geschützt und wurde von frei laufenden Wachhunden so gesichert, dass es nicht nötig war, den Dienstboteneingang nachts abzusperren. Metcalfe zog die Tür langsam und vorsichtig auf, um ein Quietschen oder Knarren zu vermeiden.
Dass schwere Pfoten herantappten, nahm er erst wahr, als es schon zu spät war.
Plötzlich hörte er ein erschreckendes Knurren, tief und kehlig. Im nächsten Augenblick prallte der Körper eines Dobermanns mit seinem zusammen. Der Hund schlug die Zähne in den Ärmel seiner Lodenjacke und verbiss sich wild in das Gewebe, um an das Fleisch von Metcalfes Oberarm heranzukommen. Ein stechender Schmerz durchzuckte den gesamten Arm, als die spitzen Reißzähne sich in die Haut bohrten.
Metcalfe trat nach dem grimmigen Angreifer und verdrehte dabei seinen Körper, um den Biss der gewaltigen Kiefer zu lockern. Die massive Tür stand halb offen; er warf sich nach vorn über die Schwelle, knallte gleichzeitig die Tür zu und ließ sie wiederholt gegen den Körper des Angreifers krachen, bis der Hund endlich zornig blaffend von seinem Arm abließ.
Im nächsten Augenblick rannte Metcalfe, von einem Adrenalinstoß beflügelt, durch einen dunklen Flur. Unter einer Tür am Ende des Korridors entdeckte er einen Lichtstreifen. Metcalfe musste schleunigst von hier verschwinden, bevor jemand vom Hauspersonal, durch den Angriff des Dobermanns aufgeschreckt, auf den Flur trat. Auf beiden Seiten des Korridors sah er Türen, hatte jedoch keine Ahnung, wohin sie führten. Die erste Tür war abgesperrt, die zweite ebenfalls. Die dritte ließ sich öffnen. Hinter dieser Tür lag eine schmale Treppe. Metcalfe schloss sie hinter sich und tastete sich im trüben Schein einer Art Notbeleuchtung die Stufen hinunter.
Der schwache Lichtschein zeigte ihm, dass er von Hunderten von Weinflaschen umgeben war, die vor allem Rhein- und Moselweine enthielten. Er befand sich in Rudolf von Schüsslers Weinkeller. Er trat rückwärts in eine Nische und wartete.
Als in den folgenden Minuten niemand die Treppe herunterkam, konnte er annehmen, dass er vorerst in Sicherheit war. Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass es zwanzig Minuten vor Mitternacht war. Er würde noch eine Stunde hier unten warten. Bis dahin würden Lana und von Schüssler vermutlich schlafen. Erst dann konnte auch das Personal zu Bett gehen. Es war zu riskant, durch ein unbekanntes Haus zu schleichen, in dem vielleicht noch Leute wach waren.
Aber die Zeit rannte. Wenn Kundrow es geschafft hatte, seinen Part zu erledigen, blieben ihnen nicht viel mehr als sechs Stunden.
Für alles, was noch getan werden musste, reichte die Zeit nicht aus.
Kapitel Sechsunddreißig
Eine Stunde später schlich Metcalfe lautlos durch den dunklen Korridor im zweiten Stock des Hauptgebäudes.
Die Anordnung der Räume war für mittelalterliche deutsche Burgen typisch, das erkannte Metcalfe rasch. Das Erdgeschoss mit Küche und Wirtschaftsräumen wurde vom Hauspersonal bewohnt; im ersten Stock lagen die Kapelle und ein großer Saal mit einem riesigen Refektoriumstisch; im zweiten Stock befanden sich die Wohnräume. Auf jeder Etage gab es jedoch mehrere durch Anbauten entstandene Flügel. Einer davon - mit Tigerfellen auf dem Boden und Jagdtrophäen an den Wänden -war offensichtlich für Rudolf von Schüssler eingerichtet worden. Metcalfe durchquerte den Raum lautlos und ging auf Zehenspitzen an der Tür vorbei, hinter der das Schlafzimmer liegen musste. Am Ende des Korridors lag das Arbeitszimmer des Hausherrn: Metcalfe warf einen flüchtigen Blick in einen Raum mit schweren Möbeln und wandhohen Bücherschränken.
Ein weiterer Gebäudeflügel war das Reich von Schüsslers Kindern. Wieder ein anderer, der offensichtlich weniger benützt wurde, enthielt die Gästezimmer.
Dort musste Lana sein.
Alles,
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