Der Tristan-Betrug
Nein, der einzige Grund, der Hitler bisher davon abgehalten hat, Russland den Krieg zu erklären, ist seine Angst, Russland könnte ein zu starker Gegner sein. Das weiß ich.«
Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er wollte ihr in die Augen sehen, aber Lana starrte weiter zu Boden, während sie fortfuhr: »Aber ihr Amerikaner wollt Hitler und Stalin gegeneinander aufhetzen. Das ist euer eigentliches Ziel. Eure Dokumente sollen Hitler beweisen, dass Stalin einen Präventivkrieg gegen Deutschland plant. Wenn Hitlers Generale dieses Material für echt halten, dann bleibt ihnen keine andere Wahl, als ihrerseits zuerst anzugreifen.«
Metcalfe wandte sich Lana zu, nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Großer Gott«, flüsterte er. »Das hast du alles von Anfang an gewusst.«
»Und ich bin damit einverstanden, Stiwuschka. Ich halte diesen Plan für kühn und gefährlich, aber er ist auch brillant. Er ist unsere einzige Hoffnung. Greift Hitler uns an, weil er uns für schwach hält, gräbt er sich damit sein eigenes Grab. Ja, Stiwa, das habe ich von Anfang an gewusst.«
»Du bist eine schöne Frau, die schönste Frau, der ich jemals begegnet bin. Und du bist die bemerkenswerteste Frau, die ich kenne.«
»Dann erzähl mir etwas«, sagte sie ernst. »Und du musst mir die Wahrheit sagen: Glaubt der NKWD, dass ich sowjetische Militärgeheimnisse weitergebe? Bist du hergekommen, um mich deswegen zu warnen?«
»Nein, noch nicht. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann der NKWD anfängt, dich zu verdächtigen. Die deutsche Abwehr - der militärische Abwehrdienst im Oberkommando der Wehrmacht - hat eine Quelle in der Lubjanka. Auf beiden Seiten gibt's undichte Stellen. Kein Geheimnis ist wirklich sicher.«
»Eine >Quelle«
»Einen Spion. Jemanden, der für sie arbeitet, den Deutschen Informationen liefert.« »Spione unter Spionen!«
Metcalfe nickte. »Die Deutschen werden allmählich misstrauisch, weil sie so mühelos an dieses Material gelangt sind. Sie fragen sich, ob russische Stellen es ihnen absichtlich zugespielt haben könnten.«
»Und du glaubst, dass ihre ... ihre >Quelle< in der Lubjanka Fragen nach meiner Rolle aufwerfen wird?«
»Das wäre denkbar. Sobald an einem Unternehmen mehr als zwei Personen beteiligt sind, gibt's undichte Stellen. Diese Gefahr besteht immer.«
»Aber das ist nicht deine Hauptsorge. Du fürchtest, euer Unternehmen könnte scheitern.«
»Du scheinst mich für völlig skrupellos zu halten.«
»Ich bin kein Kind mehr!«, fauchte sie und wandte sich ihm ruckartig zu. Ihre Augen glitzerten, ihr Gesichtsausdruck war leidenschaftlich erregt. »Ich dachte, das hättest du inzwischen erkannt. Wir wissen beide, was wichtig ist. Wir wissen beide, dass das Schicksal der freien Welt wichtiger ist als das Leben einer Ballerina.«
Ihre Worte erschreckten ihn. »Vielleicht will ich zu viel«, antwortete er sanft, »aber ich möchte dich beschützen und zugleich das Unternehmen retten.«
»Wie soll das gehen?«
»Mit Kundrows Hilfe.«
» Kundrow ? Was hat er damit zu schaffen?«
»Wenn du einverstanden bist, Lana, dann zeigt Kundrow dich bei seinen Vorgesetzten an.«
»Mich anzeigen!«, fragte sie. »Das verstehe ich nicht.«
»Er meldet seinen Verdacht, dass du, die Tochter eines berühmten sowjetischen Generals, dem deutschen Diplomaten, der dein Geliebter ist, militärische Geheimnisse verraten hast. Das wird in Moskau wie ein Blitz einschlagen; die Schockwelle wird die höchsten Führungskreise erfassen. Die GRU wird den NKWD hinzuziehen, der sofort die nötigen Maßnahmen ergreifen wird.«
Sie nickte, während in ihrem Blick eine schreckliche Erkenntnis dämmerte. »Werde ich verhaftet, erfahren die Deutschen durch ihren Spion in der Lubjanka davon. Dann werden Hitler und seine Generale glauben, dass sie echtes Material bekommen haben. Das wird sie von der Notwendigkeit eines Angriffs überzeugen.« Lana zuckte mit den Schultern; ihr Tonfall blieb locker, aber er konnte ihre Anspannung, ihre Angst nicht verbergen. »Die Hinrichtung einer unbedeutenden Ballerina lässt sich sicher verschmerzen, wenn sie den Untergang Hitlers herbeiführt.«
Metcalfe packte sie mit beiden Händen an den Schultern, brachte sein Gesicht dicht an ihres heran. »Nein! Ich würde dich nie opfern!«
»Ich würde mich selbst opfern«, wehrte Lana kühl ab.
»Hör mir jetzt zu! Du wirst nicht verhaftet! Du weißt, wie so etwas abläuft. Der NKWD kann dich nicht auf deutschem Boden verhaften. Also
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