Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Tristan-Betrug

Titel: Der Tristan-Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
alten Spionagechef ein wenig zu reizen.
    »Sie haben meine Tante nicht gekannt«, antwortete Corcoran.
    Metcalfe wusste den beißenden Humor des Alten zu schätzen - erst recht in dieser Zeit nervöser Anspannung.
    »Also gut«, sagte er. »Wie geht's mit mir weiter?«
    »Ich möchte, dass Sie Paris morgen verlassen«, sagte Corcoran knapp. »Tun Sie uns einen Gefallen und verzichten Sie darauf, sich von Ihren vielen Freundinnen zu verabschieden. Niemand darf erfahren, wohin Sie reisen. Schreiben Sie meinetwegen ein paar Postkarten, die wir auf Ibiza oder den Kanarischen Inseln aufgeben. Jeder soll denken, der kosmopolitische, schillernde Monsieur Eigen habe dringend geschäftlich verreisen müssen. Das akzeptiert jeder.«
    Metcalfe nickte. Corcoran hatte natürlich Recht. Auf Erklärungen verzichtete er lieber. Morgen! Das bedeutete, dass er Flora Spinasse nicht wieder aufsuchen und sich die Personalliste der deutschen Botschaft in Moskau holen konnte -ein Verlust, aber er war zu verschmerzen.
    »Sie fahren vom Gare du Nord nach Berlin und von dort aus nach Warschau weiter. Ein Schlafwagenabteil erster Klasse ist für Sie auf den Namen Nicolas Mendoza reserviert. Auf dem Bahnhof Warszawa Centralna steigen Sie aus, kommen zweieinviertel Stunden später zurück und besteigen als Stephen Metcalfe den Zug nach Moskau. Dort ist für Sie ein Zimmer im Hotel Metropol reserviert.«
    Metcalfe nickte. »Papiere?«
    »Die müssen Sie sich hier beschaffen. Die Zeit reicht nicht aus, um sie von meinen Leuten herstellen und über den Großen Teich bringen zu lassen.«
    »Kein Problem.«
    »Vor Ihnen liegt eine Herkulesarbeit. Der Einsatz ist unglaublich hoch, deshalb will ich absolut nichts von Ihren geliebten Husarenstückchen hören. Bei diesem Unternehmen kann eine Menge schief gehen.«
    »Ich frage Sie noch mal: Was tue ich, falls etwas schief geht?«
    Corcoran zuckte unter seiner Soutane mit den Schultern. »Sollte etwas schief gehen, Stephen, dann schlage ich vor, dass Sie beten.«

Kapitel Sieben
    Der Geiger wartete in der Wohnung des Mannes.
    Seine Anschrift hatte der Sicherheitsdienst aus der von der Nutte angegebenen Telefonnummer ermittelt. Wo die Funkstation stand, wusste Kleist noch immer nicht - die Nutte hatte natürlich keine Ahnung gehabt. Und ihr Informant, der sie überhaupt erst auf den Fallschirmabwurf aufmerksam gemacht hatte, wusste erst recht nichts, weil jeder nur das erfahren durfte, was er unbedingt wissen musste.
    In den Stunden, in denen er auf die Rückkehr des englischen Agenten gewartet hatte, konnte Kleist die Wohnung des Mannes in aller Ruhe und gründlich durchsuchen. Er kannte jetzt seine wahre Identität, was ein Anfang war. Er wusste, dass der Brite nachts arbeitete und tagsüber schlief.
    Kleist musste nur abwarten.
    Kurz nach sieben Uhr morgens hörte er, wie die Wohnungstür aufgesperrt wurde. Der Brite summte vor sich hin, während er geschäftig herumpusselte, Teewasser aufsetzte und ins Schlafzimmer ging, um seinen Pyjama anzuziehen. Als er die Tür des Kleiderschranks öffnete, um Bügel für seine Sachen herauszunehmen, entfuhr ihm ein kurzer Aufschrei. Kleist sprang mit einem Satz aus dem Schrank, packte ihn mit beiden Händen am Hals und warf ihn zu Boden.
    Der Brite gurgelte mit dunkelrotem Gesicht. »Was zum ...!«
    Aber Kleist rammte ihm ein Knie so kräftig zwischen die Beine, dass er dessen Steißbein brechen hörte.
    Nun jammerte der Brite. Seine Tränen flossen in Strömen. Er weinte wie ein kleines Mädchen.
    »Ich will nur wissen, wo Ihre Funkstation steht«, sagte Kleist. Sein Englisch, das er zu spät im Leben gelernt hatte, war stark akzentgefärbt. Jetzt nahm er eine Hand von der Kehle des Liegenden.
    »Leck mich am Arsch!«, sagte der Engländer mit hoher, gurgelnder Stimme.
    Er glaubte wohl, Kleist habe die Hand von seiner Kehle genommen, damit er sprechen konnte, aber in Wirklichkeit hatte er das nur getan, um die aufgerollte Violinsaite aus der Tasche zu ziehen. Kleist entrollte die Saite und legte sie sekundenschnell um den Hals des Mannes: über dem stark ausgebildeten Adamsapfel und unter dem beweglichen Zungenbein. Das war die empfindlichste Stelle. Als er jetzt Luftröhre und Halsschlagader zusammendrückte, konnte er sehen, wie die Augen des Briten hervorquollen.
    Der junge Mann achtete anscheinend nicht sehr auf persönliche Hygiene, stellte Kleist fest. Er hatte vermutlich seit mehreren Tagen nicht mehr gebadet. Gewiss, heißes Wasser war Mangelware, aber

Weitere Kostenlose Bücher