Der Tristan-Betrug
vorn in den Laden zurück und sah sich ohne sonderliches Interesse in den Bücherregalen um. Er ging nicht oft in Buchhandlungen und hatte vor allem jetzt nicht die Geduld, in Büchern zu schmökern. Er war nervös und hatte ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Freund in diese Sache hineinzog.
Papiere mit einem Ausreisevisum zu fälschen war etwas völlig anderes, als beispielsweise falsche Lebensmittelkarten zu drucken. Wurde Metcalfe geschnappt, konnte er auch Ducroix ins Verderben reißen. Das war ein erschreckender Gedanke. Schließlich hatte nur Metcalfe sich freiwillig zu gefährlicher Geheimdienstarbeit verpflichtet. Ducroix war ein Intellektueller, ein Buchhändler, ein Mann des Worts. Kein Spion. Er war ein tapferer Mann, der seinen Teil tat, um der Résistance zu helfen; es war wichtig, ihn nicht in Gefahr zu bringen.
Einige Minuten später schreckte ihn das Bimmeln der Türglöckchen aus seinen Gedanken auf. Ein Kunde war eingetreten: ein Mann von etwa vierzig Jahren. Metcalfe empfand spinnenfingriges Unbehagen, einen prickelnden Verdacht, mit diesem Mann sei irgendwas nicht in Ordnung. Er sah in dieser Zeit der Entbehrungen allzu wohlgenährt aus. Dieser Gentleman in seinem teuren Maßanzug hatte etwas Geschmeidiges, etwas Privilegiertes an sich. Sein Haar war fast militärisch kurz geschnitten, und er trug eine randlose Brille. War er ein Deutscher? Auch seine Schuhe sahen teuer aus: auf Hochglanz poliertes Oberleder, Ledersohlen. So gut waren Franzosen im Allgemeinen nicht mehr gekleidet.
Während Metcalfe vorgab, sich für eine in Augenhöhe stehende Corneille-Ausgabe zu interessieren, begutachtete er heimlich den anderen Mann. Der Holzfußboden knarrte, als der vermeintliche Kunde sich im Laden umsah. Er schien etwas -oder jemanden - zu suchen.
Metcalfe beobachtete ihn schweigend. Erst als der Mann sich leicht zur Seite drehte, fiel Metcalfe die kleine Ausbuchtung unter seinem Jackett auf: ein Schulterhalfter mit einer Pistole.
Großer Gott, dachte Metcalfe. Ich habe sie hergelockt.
Eine Minute später hörte er einen Wagen vor der Buchhandlung vorfahren. Das Geräusch des starken Motors verriet, um welches Modell es sich handelte, noch bevor er den schwarzen Citroen Traction Avant sah. Ein Dienstwagen der Gestapo. Der Fahrer trug Uniform. Hinten stieg ein weiterer Gestapomann aus, der ebenfalls einen guten Anzug trug.
Metcalfe spürte einen Adrenalinschub, als auch der zweite Gestapomann die Buchhandlung betrat. Sie müssen mich beschattet haben, sagte er sich erschrocken.
Er überlegte rasch. Er hatte eine Pistole, die in ihrem Beinholster steckte. Theoretisch war er unterlegen, aber hier ging es noch nicht darum, seine Waffe zu ziehen und um sich zu schießen. Das wäre das letzte verzweifelte Mittel gewesen: Er durfte nicht riskieren, einen Gestapomann zu erschießen, vor allem nicht am Vorabend seiner Abreise aus Paris. Das hätte den ganzen Plan gefährdet.
Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass ihm tatsächlich die Flucht gelang. Die Beamten waren zu zweit und hatten bestimmt den Auftrag, jemanden zu verhaften, statt ihn zu erschießen.
Aber wen wollten sie hier verhaften?
Ducroix war in höchster Gefahr. Metcalfe tat schließlich nicht mehr, als in einer Buchhandlung zu schmökern. Die Gestapomänner sollten ihn ruhig zum Verhör mitnehmen; es würde zu nichts führen. Aber wenn sie die Werkstatt hinter dem Laden stürmten, während Ducroix seine illegale Arbeit tat, würde der Franzose verhaftet, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt werden.
Er musste Ducroix schützen. Er musste ihn warnen; das war der erste Schritt.
Metcalfe wandte sich unauffällig ab, ließ einen Zeigefinger über Buchrücken gleiten, als suche er einen bestimmten Titel, und trat dann in die nächste Regalreihe. Er bewegte sich langsam, bedächtig, mit der Geduld eines Bibliophilen, der seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht.
Der erste Gestapomann sah auf und verfolgte Metcalfes Bewegungen wachsam. Statt sich rascher zu bewegen, wurde Metcalfe bewusst noch langsamer, um das Misstrauen des Deutschen zu zerstreuen. Er blieb stehen, zog ein Buch aus dem Regal, schlug es auf und blätterte darin. Dann schüttelte er leicht den Kopf, stellte es ins Regal zurück und ging in den hinteren Teil des Ladens weiter. Als er hinter einem langen, hohen Bücherregal außer Sichtweite der beiden Deutschen war, beschleunigte er seinen Schritt, trat möglichst leicht auf und bewegte sich fast
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