Der Triumph der Heilerin.indd
Margaret war überzeugt, dass sie recht hatte, aber sie wusste, dass die Worte des Mönchs ihrer Freundin unglaublichen Schaden zugefügt hatten. Sie hatten einen Damm zum Bersten gebracht, der Anne mit Schmutz überschwemmte. »Mein Gott, was heute geschehen ist, ist wahrlich erstaunlich, und wir haben es alle gesehen und gehört. Aber wir wissen auch, dass es Unsinn ist. Lady Anne de Bohun ist meine Freundin, und auch die Ihre. Und sie ist eine Freundin Burgunds und der Stadt Brügge. Das hat sie mir und Euch bewiesen. Dieser Mann, dieser Gift und Galle spuckende Narr, hat sie als Hexe und noch anderes beschimpft. Doch Ihr und ich, wir beide kennen unsere Freundin. Wir wissen genau, wer sie ist. Eine freundliche junge Frau, die ruhig und zurückgezogen lebt und ein Herz aus Gold hat.«
Karl nickte, als stimmte er jedem Wort zu. Anne aber, die schweigend zugehört hatte, verstand. Der Herzog von Burgund befand sich in einer schrecklichen politischen Zwickmühle. Was wollte, was konnte er tun? Vor allem, nachdem Edwards Name in diesen ganzen Schlamassel mit hineingezogen worden war. Ausgerechnet jetzt, wo sie am folgenden Tag zum ersten Mal offiziell zusammentreffen wollten.
Der Herzog sah die beiden Frauen an. »Lady Anne, könnt Ihr Euch diese Anschuldigungen erklären?«
Anne sah auf. Dunkle Schatten umgaben ihre Augen. »Ich glaube, ich weiß, wer er ist. Bruder Agonistes, meine ich.«
Margaret setzte sich neben ihre Freundin und nahm ihre kalte Hand in die ihre.
»Einst nannte er sich Doktor Moss.«
Die Herzogin zuckte zusammen. »Ja! Genau! Ich wusste, dass er mir irgendwie ...«
»Margaret, lasst Lady Anne aussprechen.«
»Er suchte meinen damaligen Herrn auf, nachdem ich in der Abtei ohnmächtig geworden war. Das war, als Aveline ... meine Schwester ihren Dankgottesdienst hatte. Nach der Geburt ihres Knaben.«
Margaret und der Herzog tauschten Blicke. »Der Sohn Eurer Schwester? Der kleine Edward?«
Anne sah auf ihre Hände und nickte. Halbwahrheiten waren etwas Gefährliches, aber immer noch besser als die Unwahrheit. Avelines Kind wurde tatsächlich auf den Namen Edward getauft, aber er war nicht ihr Edward - nicht jener Knabe, den sie als ihren Neffen ausgab. Sie hatte Aveline immer als ihre Schwester bezeichnet und ihr eigenes Kind, ihren eigenen Sohn als den Sohn ihrer lieben, toten Freundin. Sie waren Schwestern im Geiste gewesen, und Anne hatte Avelines Augen mit Pennys zugedeckt. Sie hatte sich das Recht erworben, sie so zu nennen.
Der Herzog sagte zu seiner Gemahlin: »Dr. Moss war Arzt am Hof Eures Bruders, Madame?«
»Ja, Karl. Und er war auch ein Freund des Königs.«
Anne sah auf. Jetzt war sie bereit, die Wahrheit zu sagen. »Ja, er stand in der Gunst des Königs. Aber er war mehr als ein Freund des Königs. Er war ein Kuppler - und zwar ein sehr geschickter. Diskret, vornehm, weltgewandt, aber .«
Margaret fiel erstaunt ein: »Er versorgte meinen Bruder mit Frauen?«
Anne nickte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen der Scham. »Ich, ich gehörte auch dazu. Obwohl ich damals nicht wusste, was er im Schilde führte. Moss sorgte dafür, dass ich an den Hof kam und ... der König ... mich bemerkte.« Fast hätte sie ihn Edward genannt. »Moss wollte seine Stellung bei Hof verbessern, indem er mich mit dem König verkuppelte. Aber dann wollte er mich für sich selbst.« Zornesröte stieg ihr ins Gesicht, als sie daran dachte. »Er hat mich beinahe vernichtet, weil - Gott stehe mir bei - weil ich mich in Euren Bruder verliebte, Herzogin, obwohl ich wusste, dass es falsch war. Und das hat mir beinahe das Herz gebrochen, denn da wusste ich bereits ...«
Der Herzog hörte fasziniert zu. Eine unglaubliche Geschichte quälte sich Satz für Satz aus dem Mund dieser jungen Frau. »Was wusstet Ihr, Lady Anne?«
Sollte sie es ihnen sagen? Sie hielt den Beweis für ihre Herkunft nicht mehr in Händen. Vielleicht glaubten der Herzog und die Herzogin ihr nicht. Aber wie sollte sie sich gegen die Anschuldigungen des Mönchs verteidigen? Und war es nicht so, dass Familienmitglieder einander halfen?
Annes Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Ich wusste, wer ich war. Wer ich bin. Ich bin Eure Cousine, Herzogin.« Sie fuhr stotternd fort: »Ich bin die leibliche Tochter von Henry VI., jenem armen, verwirrten Mann, dem ich noch nie begegnet bin. Und, Herzog Karl, jetzt muss ich Euch die ganze Wahrheit sagen.«
Der Herzog zog die Augenbrauen hoch, und die Herzogin blickte sprachlos vor Staunen
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