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Der Trost von Fremden

Titel: Der Trost von Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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schlossen klägliche Kompromisse, achteten auf leise Stimmungsumschwünge, kitteten Brüche. Als Individuen waren sie nicht leicht gekränkt; aber gemeinsam gelang es ihnen, einander auf überraschende, unerwartete Weise zu kränken; dann irritierte den Kränkenden - es war zweimal seit ihrer Ankunft geschehen - die Überempfindlichkeit des anderen, und sie setzten die Erkundung der gewundenen Gassen und unvermuteten Plätze schweigend fort, und mit jedem Schritt wich die Stadt zurück, während sie sich tiefer in der Gegenwart des anderen verschlangen.
    Mary stand von ihrem Yoga auf und, nachdem sie ihre Unterwäsche sorgsam ausgesucht hatte, begann sich anzuziehen. Durch die halboffene Verandatür konnte sic Colin auf dem Balkon sehen. Ganz in Weiß gekleidet lümmelte er in dem Strandstuhl aus Aluminium und Plastik, sein Handgelenk baumelte dicht über dem Boden. Er inhalierte, kippte den Kopf, hielt den Atem an und atmete über den Geranientöpfen, die die Balkonmauer säumten, den Rauch aus. Sie liebte ihn, wenn auch nicht eben in diesem Augenblick. Sie zog eine Seidenbluse und einen weißen Baumwollrock an, und als sie sich auf die Bettkante setzte, um ihre Sandalen zuzumachen, nahm sie einen Reiseführer vorn Nachtkästchen. Den Fotos zufolge gab es in anderen Teilen des Landes Wiesen, Berge, menschenleere Strände, einen Pfad, der sich durch einen Wald zu einem See schlängelte. Hier, in ihrem einzigen freien Monat im Jahr, galt die Verpflichtung Museen und Restaurants. Als sie Colins Stuhl quietschen hörte, ging sie hinüber zum Toilettentisch und begann sich mit knappen, energischen Strichen das Haar zu bürsten.
    Colin hatte den Joint für Mary hereingebracht, und sie hatte abgelehnt - ein rasch gemurmeltes »Nein, danke« ohne sich auf ihrem Stuhl umzudrehen. Er zauderte noch hinter ihr, starrte mit ihr in den Spiegel und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Doch sie blickte geradeaus sich selber an und bürstete weiter die Haare. Er fuhr mit dem Finger die Kontur ihrer Schulter entlang. Früher oder später mußte das Schweigen brechen. Colin wandte sich zum Gehen, und entschied sich um. Er räusperte sich und legte ihr seine Hand fest auf die Schulter. Draußen mußte ein beginnender Sonnenuntergang beobachtet und drinnen mußten Verhandlungen eröffnet werden. Seine Unschlüssigkeit war ganz und gar durch die Droge bedingt und von der Sorte, die im Kreis herum argumentierte, daß, ginge er jetzt weg, wo er sie berührt hatte, sie, zumindest möglicherweise, gekränkt sein könnte... doch andererseits bürstete sie sich weiter die Haare, obwohl es schon längst nicht mehr nötig war, und es schien so, als warte sie darauf, daß Colin ging... und weshalb?... weil sie das Widerstrebende seines Bleibens spürte und bereits gekränkt war?... aber widerstrebte es ihm denn? Unglücklich strich er mit dem Finger über Marys Rückgrat. Sie hielt jetzt den Bürstenstiel in der einen Hand und ließ die Borsten im offenen Handteller der anderen ruhen und starrte weiter geradeaus. Colin beugte sich vor und küßte ihren Nacken, und als sie ihn noch immer nicht zur Kenntnis nahm, durchquerte er mit einem geräuschvollen Seufzer das Zimmer und ging wieder auf den Balkon.
    Colin ließ sich in seinem Stuhl nieder. Über ihm dehnte sich eine gewaltige, klare Himmelskuppel, und er seufzte erneut, diesmal aus Zufriedenheit. Die Arbeiter auf den Lastkähnen hatten ihre Werkzeuge eingepackt und standen jetzt in einer Gruppe, dem Sonnenuntergang zugewandt, und rauchten Zigaretten. Auf dem Ponton des Hotelcafés waren die Kunden zum Aperitif übergegangen, und die Unterhaltungen von den Tischen klangen gedämpft und gleichförmig. Eis klingelte in Gläsern, und die Absätze der tüchtigen Kellner klackten mechanisch über die Pontonplanken. Colin stand auf und betrachtete die Passanten unten auf der Straße. Touristen, viele davon älter, in ihren besten Sommeranzügen und Sommerkleidern bewegten sich in reptilienhaftem Zeitlupentempo auf den Gehsteigen. Dann und wann blieb ein Paar stehen, um billigend die Gäste auf dem Ponton zu betrachten, die vor dem gigantischen Prospekt aus Sonnenuntergang und gerötetem Wasser tranken. Ein älterer Herr postierte seine Frau im Vordergrund und ging mit dünnen, zittrigen Schenkeln halb in die Hocke, um ein Bild zu knipsen. Die Trinkenden an dem Tisch direkt hinter der Frau hoben ihre Gläser gefällig zur Kamera. Doch der auf Spontaneität bedachte Fotograf richtete sich auf

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