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Der Trost von Fremden

Titel: Der Trost von Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Flugticket. Von draußen hörte sie das stetige Bosseln von Stahlwerkzeugen.
    An den Krankenhaustüren nickte die uniformierte Wache über Marys Kopf hinweg dem Beamten knapp zu. Sie stiegen zwei Treppenfluchten hinunter und durchschritten einen kühlen, menschenleeren Korridor. An den Wänden waren in regelmäßigen Abständen rote Schlauchtrommeln angebracht, und darunter standen Eimer mit Sand. Vor einer Tür mit einem kreisförmigen Fenster blieben sie stehen. Der Beamte bat sie zu warten und ging hinein. Eine halbe Minute später öffnete er ihr die Tür. Er hielt ein Bündel Papiere in der Hand. Der Raum war klein, fensterlos und stark parfümiert. Eine Leuchtstoffröhre erhellte ihn. Doppelschwingtüren, ebenfalls mit kreisförmigen Fenstern, führten in einen größeren Raum, in dem es eine Zwillingsreihe verhüllter Leuchtröhren gab. Die schmale, hohe Bank, die Colin trug, ragte in den Raum. Daneben stand ein Holzschemel. Colin lag auf dem Rücken unter einem Laken. Der Beamte schlug es geübt zurück und warf ihr einen Blick zu; es erfolgte die formale Identifikation in Gegenwart der Leiche und des Beamten. Mary unterschrieb, der Beamte unterschrieb und zog sich diskret zurück.
    Nach einer Weile setzte sich Mary auf den Schemel und legte ihre Hand in Colins. Ihr war nach Erklärungen zumute, sie würde mit Colin reden. Sie würde Carolines Geschichte so genau berichten, wie sie sich daran erinnern konnte, und dann würde sie ihm alles erklären, ihm ihre Theorie erzählen, die in diesem Stadium natürlich vorläufig war und die erklärte, wie die Fantasien, die sexuellen Fantasien, der uralte Traum der Männer, zu verletzen, und der der Frauen, verletzt zu werden, ein mächtiges, durchgängiges Organisationsprinzip verrieten und verkörperten, das alle Beziehungen, alle Wahrheit entstellte. Doch sie erklärte nichts, denn ein Fremder hatte Colins Haar falsch gescheitelt. Sie kämmte es mit den Fingern und sagte gar nichts. Sie hielt seine Hand und bedrängte seine Finger. Sie formulierte mehrmals seinen Namen, ohne ihn auszusprechen, als hätte die Wiederholung dem Wort wieder Bedeutung geben und den Gemeinten zum Leben erwecken können. Der besorgte Beamte erschien sporadisch an dem kreisförmigen Fenster. Nach einer Stunde kam er mit einer Krankenschwester herein. Er stand hinter dem Schemel, während die Krankenschwester, die ihr zumurmelte wie einem Kind, Marys Finger aus Colins losbog und sie zur Tür führte.
    Mary folgte dem Beamten durch den Korridor. Als sie die Stufen hinaufstiegen, bemerkte sie, daß sein Schuh einen schiefen Absatz hatte. Für einen Augenblick überwog die Alltäglichkeit, und sie spürte eine flüchtige Andeutung des Kummers, der sie erwartete. Sie räusperte sich vernehmlich, und der Klang ihrer eigenen Stimme vertrieb den Gedanken.
    Der junge Mann trat vor ihr in den strahlenden Sonnenschein hinaus und wartete. Er stellte seinen Aktenkoffer hin, zupfte sich die gestärkten weißen Hemdmanschetten zurecht und machte ihr, mit einer angedeuteten Verbeugung, das höfliche Anerbieten, sie zum Hotel zurückzubegleiten.

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