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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die Idee nicht, daß der Krämer diesen Fall aufklären soll. Ich habe den Verdacht, daß Ihr mich an der Nase herumführen wollt; ich hatte erwartet, daß Ihr jemanden beauftragt, der sich in solchen Dingen auskennt.«
    »Herr Bernward versteht sich sehr wohl …«, setzte Hanns Altdorf er an, aber ich winkte ab. Ich konnte sehen, daß der Ritter nur das Gefühl hatte, er müsse seinen eigenen Standpunkt nochmals klarmachen. Er zollte der Unterbrechung durch den Stadtkämmerer keine Aufmerksamkeit, sondern sprach mit dem gleichen groben Tonfall weiter: »Andererseits scheint dieser hier nicht der Dümmste zu sein. Ich verlasse mich darauf, daß Ihr mir den Mörder fristgerecht dingfest macht und seine Bestrafung durchführt. Sollte das am Vortag der Hochzeit nicht geschehen sein, werde ich den Vorfall überall bekannt machen. Ich kann mir den Skandal lebhaft vorstellen, der dann entfacht wird.«
    »Wir wissen Bescheid«, sagte der Kanzler steif. »Wir danken Euch, Herr Moniwid.«
    Der Pole nickte unbeeindruckt. Dann wandte er sich an mich direkt.
    »Macht Eure Sache gut, Kaufmann«, sagte er drohend. »Solltet Ihr versagen, werde ich vor meinem und Eurem Herrn Anklage gegen Euch erheben wegen Verschleierung eines hochpolitischen Mordfalles.«
    »Wie bitte?« platzte ich heraus. »Davon kann keine Rede sein.«
    »Was soll das bedeuten?« rief der Kanzler empört. »Ist Euch nicht klar, daß Herr Bernward uns allen nur einen Gefallen tut?«
    »Euch vielleicht«, sagte der Pole knapp. »Mir nicht. Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe.«
    Doktor Mair drehte sich um und sah mich an. Zum ersten Mal an diesem frühen Morgen erlebte ich ihn vollkommen fassungslos. Er keuchte, dann stieß er hervor: »Unter diesen Umständen seid Ihr von Eurer Zusage entbunden, Herr Bernward.«
    Ich schwieg einen Augenblick lang; einen Augenblick, in dem mein Verstand aufschrie: Jetzt! Sag dich los! Ich biß die Zähne aufeinander, damit die Stimme nicht herauskam. Langsam drehte ich mich um und sah Moniwid ins Gesicht. Meine Gesichtsmuskeln waren wie erstarrt, aber es gelang mir, ein schiefes Lächeln aufzusetzen. Ich sagte: »Mein Herr wird sicherlich wissen, daß ich mein Möglichstes getan habe, um Recht und Gesetz walten zu lassen. Was Euer Herr von Eurer überschäumenden Hilfsbereitschaft hält, wird sich dann herausstellen.«
    Er wurde blaß; ich konnte es selbst im Fackellicht sehen.
    »Was glaubt Ihr, wer Ihr seid?« zischte er.
    »Ich bin ein freier Bürger dieser Stadt und ein ehrbarer Kaufmann, der mit seinem Geschäft zwanzig Dienstboten und Schreiber unterhält. Wenn es Euch nichts ausmacht: Ich bin kein Mitglied Eurer Delegation. Mit mir müßt Ihr einen anderen Tonfall anschlagen.«
    Er blies die Backen auf, daß sich sein Schnurrbart kampflustig aufstellte. Für eine kleine Weile war er auf der Suche nach einer passenden Erwiderung. Ich spürte, wie mir der Kanzler oder auch Hanns Altdorfer eine Hand auf den Arm legte und mir jemand ins Ohr flüsterte: »Bitte, beherrscht Euch.« Ich schüttelte die Hand ab. Im Inneren war mir eiskalt; mein Mut hatte mich schon verlassen, als Moniwid vor meinen Augen vor Wut erbleichte. Aber noch hatte mein Herz die Oberhand über meinen Verstand.
    Endlich sagte der polnische Ritter: »Ihr braucht mich nicht darauf hinzuweisen, daß Ihr in Eurer Heimatstadt seid und ich nur ein Gast bin.«
    »Dann laßt mich meine Arbeit tun, zu der Ihr alle mich hier genötigt habt.«
    Er nickte; plötzlich zog er sich auf ganz bäuerische Manier die Nase hoch und wischte sich mit einem seiner pelzbesetzten Ärmelaufschläge über den Bart. Als er den Arm wieder senkte, verzog ein unwilliges Grinsen seine Lippen.
    »Hier lebt ein aufbrausendes Volk«, knurrte er. »Nicht, daß mir dies sonderlich gefiele; aber die Unerschrockenheit eines einzelnen Mannes mag ich. Wenn Ihr von Adel wärt, würde ich Euch auf einen Stechgang beim Hochzeitsturnier einladen.«
    Ich wußte, daß dies ein Kompliment von seiner Seite war. Ich wandte mich ab. Plötzlich spürte ich die Kälte, die vom Boden her aufstieg.
    »Laßt uns aus der Grube herausklettern«, schlug ich heiser vor. »Wir können draußen weitersprechen.«
    Als wir am Rand der Grube standen, begann auch die zweite der Fackeln, unruhig zu brennen. Ich sah hinunter, aber die Schatten verschluckten den Schacht mit seinem grausigen Inhalt nun vollständig; allenfalls ein noch dunklerer Fleck in der Finsternis deutete an, wo die Tote drei Mannslängen unter uns

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