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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gesprochen hatte, und aus verschiedenen Gründen fühlte ich einen schmerzhaften Stich deswegen. Ihr Tod war zu einer so politischen Angelegenheit geworden, daß niemand einen Gedanken daran verschwendet hatte, daß ein Leben vernichtet worden war. Nicht einmal der polnische Ritter hatte ein Wort des Bedauerns ausgesprochen. Was hatte er gesagt? Der Tod der jungen Frau würde äußerst ernüchternd wirken. Ebenso ernüchternd war die Art und Weise, wie wir damit umgingen.
    Ich wanderte ein paar Schritte unter dem vorspringenden Giebel des Portals hinaus ins Freie und drehte mich um. Die Strebepfeiler des Langhauses reckten sich ins Leere wie die Säulen im Inneren der Kirche. Ein paar der zunächst stehenden Wappner drehten sich zu mir um; da sie sahen, daß ich aus der Kirche gekommen war, wagten sie mir nicht näher zu kommen. Ihre Neugierde konnte kaum geringer sein als diejenige der Bauleute, die sie von der Kirche fernhielten. Ich war erleichtert, daß ich daran gedacht hatte, ihnen eine falsche Erklärung für die Vorgänge liefern zu lassen.
    Ich bemerkte, daß ich gedankenverloren weitergegangen war. Ich hielt an und wartete, bis die anderen mir nachfolgten. Sie kamen zusammen aus der Kirche; sie hielten sich kurz neben dem Portal auf, dann schritt Albert Moniwid grußlos in Richtung auf das herzogliche Stadthaus davon, in dem sich das Lager der Polen befand. Der Kanzler wandte sich zum Friedhof der Kirche; wahrscheinlich wollte er durch die Widumsgasse um den Chorbau der Kirche herum zu seinem Haus zurückkehren und so den Menschen ausweichen, die sich vor dem Turm des neuen Doms auf der Altstadt drängten. Er hatte beinahe dieselbe Strecke wie Moniwid, aber die beiden gingen getrennte Wege. Doktor Mair nickte mir zum Abschied zu. Hanns Altdorfer und der Richter gesellten sich zu mir.
    »Du wirst deine Männer selbst verständigen, nicht wahr?« fragte mich Altdorfer.
    »Ich begleite sie sogar wieder mit hierher.«
    Er dachte einen Augenblick nach.
    »Ich glaube, du hast den Hauptmann beleidigt«, sagte er dann. »Mußtest du ihm so deutlich zu verstehen geben, daß du seine Leute für weniger zuverlässig hältst als deine eigenen?«
    »Tue ich das?« fragte ich. »Hanns – ich habe das mit Absicht gesagt. Was glaubst du, was er seinem Leutnant oder seiner Frau oder meinetwegen auch nur irgendeiner Schlampe demnächst erzählt hätte? Sie wollten mir weismachen, daß ein Schatz in der Kirche gefunden wurde, würde er sagen; einer, der so wertvoll ist, daß keiner etwas davon erfahren soll, und doch haben sie diesen Krämer aus dem Säldental geholt, den keiner in der Stadt genau kennt, und ihm die ganzen Kostbarkeiten anvertraut. Ich glaube, daß daran etwas faul ist.«
    Hanns Altdorfer zog die Augenbrauen zusammen. Ich ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Was wird er jetzt sagen?« fuhr ich fort. »Er wird schäumen vor Wut und sagen: Sie haben einen Schatz in der Kirche gefunden, und sie wollten mir und meinen Männern nicht mal so weit vertrauen, daß wir ihn zu diesem Kaufmann außerhalb der Stadt tragen durften. Wahrscheinlich dachten sie, wir würden die Hälfte davon unterwegs selbst einstecken. Diesem Bernward vertrauen sie, den keiner kennt. Wir sind nur dazu gut, die Betrunkenen von der Straße zu kehren.«
    Er sah mich an, dann lächelte er verkniffen.
    »Ich denke, du hast recht«, sagte er. »Dennoch ist mir nicht wohl, wenn ich sehe, wie du einen schlichten Menschen, der nur seine Pflicht tut, manipulierst.«
    Ich öffnete den Mund und wollte sagen: Was weißt du davon, doch dann schwieg ich. Er war mein Freund, und ich wußte, daß er die Wahrheit sprach. Es war eine Aussage, die auch Maria hätte tun können; oder Daniel, der in dieser Hinsicht schmerzhaft seiner Mutter glich. Nicht umsonst hatte sich mein Sohn seit langem von mir ferngehalten und beschränkte seine Besuche auf allzu wenige Gelegenheiten.
    Hanns legte eine Hand auf meine Schulter.
    »Ich habe es nicht böse gemeint«, sagte er. »Ich weiß, daß du das getan hast, was du für das Beste hieltest.«
    »Schon gut«, sagte ich rauh.
    Wir sahen zu Boden, und eines der seltenen peinlichen Schweigen zwischen uns entstand. Schließlich brummte der Richter: »Machen wir uns an die Arbeit.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich gehe und hole meine Männer. Was werdet Ihr tun?«
    »Wir verwischen die Spuren«, sagte der Richter. »Wahrscheinlich ist der Boden unten in der Grube voller Blut und Stoffetzen, und wer weiß, wo sich noch überall

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