Der Tuerke - Das Original
erörtert.
Nach dem Gebet verlassen die Jugendlichen schnell die Moschee. Die Älteren setzen wieder Teewasser auf. Zum Abend hin, wenn das erste Fußballspiel der Woche angepfiffen wird, füllt sich die Moschee wieder.
Erst fasten, dann feiern
Jedes Jahr zur Adventszeit, wenn Weihnachtsstimmung aufkommt und alle Deutschen über den Konsum- und Geschenkestress klagen und sich wünschen, dass das Fest der Liebe endlich vorbei wäre, fällt dem Deutschen auf, dass der Türke keinen Beitrag zu diesem Thema leistet.
In der Schule, in der Fabrik, überall werden die Türken dann gefragt, ob sie eigentlich auch Weihnachten feiern. Nachdem der Türke verneint, wird der Deutsche ganz neidisch und denkt, dass das ungerecht sei und alle Menschen gleichermaßen mit Feiertagen belastet werden sollten.
Erfahrungsgemäß kommt folgender Dialog zustande:
Deutscher:
»Waas, ihr feiert kein Weihnachten? Aber ihr habt doch bestimmt auch Feiertage?«
Türke (denkt: »Jedes Jahr dasselbe!«):
»Ja, wir haben zwei große Feste! Ramadan und das Opferfest.«
Deutscher:
»Ramadan kenne ich! Da dürft ihr nichts essen, ne?«
Türke:
»Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.«
Deutscher:
»Gar nichts?«
Türke:
»Gar nichts!« (Denkt: »Jetzt kommt die Frage, ob wir auch nichts trinken dürfen.«)
Deutscher:
»Aber trinken dürft ihr doch!«
Türke:
»Nee, auch nicht!«
Deutscher:
»Das ist hart! Das könnte ich nicht durchhalten!«
Türke (denkt: »Sagtest du in den letzten Jahren auch schon.«):
»Na ja, man gewöhnt sich daran! Und wenn die Fastenzeit vorbei ist, feiert man halt.«
Deutscher:
»Aber ihr dürft doch auch keinen Alkohol trinken?«
Türke:
»Das stimmt!«
Deutscher:
»Gar keinen?«
Türke:
»Gar keinen!«
Deutscher:
»Na ja, müsst ihr selbst wissen. Und wie feiert ihr dann?«
Türke:
»Wir ziehen uns festtäglich an, die Kinder werden für die Feiertage neu eingekleidet. Mit der Familie besuchen wir alle Verwandten und Bekannten. Die Jüngeren küssen den Älteren die Hand und bekommen Geld. Der Nachteil ist, überall wird Baklava, eine süße Blätterteigpastete mit Nüssen, angeboten. Baklava schmeckt köstlich. Aber zum Abend hin bin ich am Rande einer Überzuckerung.«
Deutscher (erinnert sich wieder):
»Das hattest du mal erzählt!«
Türke (denkt: »Ach nee!«)
Deutscher:
»Und was war das andere Fest?«
Türke:
»Das Opferfest!«
Deutscher:
»Ach ja! Was opfert ihr da denn?«
Türke:
»Da schlachten wir Tiere. Vor allem Schafe, zu Hause in der Türkei aber auch Rinder, Kamele und Ziegen.«
Deutscher:
»Will Gott das so?«
Türke:
»Das machen wir in Erinnerung an das Opfer Abrahams. Das müsste euch aber aus dem Alten Testament bekannt sein.«
Deutscher:
»Ja, stimmt. Hab ich mal gehört!«
Die Frühstückspause endet. Das Gespräch wird leiderunterbrochen. Doch zum Opferfest muss noch einiges gesagt werden.
Das Opferfest wird einmal im Jahr zum Höhepunkt der Wallfahrt nach Mekka gefeiert und dauert vier Tage an. Während dieser Zeit sind Muslime dazu aufgerufen, Tiere zu schlachten und zwei Drittel des Fleisches den Armen zu schenken, die sich selbst keinen Feiertagsbraten leisten können. Ein Drittel wird selbst verzehrt. Das ist natürlich sehr lobenswert und großzügig von denen, die sich daran halten.
Und das machen sehr viele. Und wenn viele Türken zeitgleich etwas unternehmen, gerät diese Sache zwangsläufig zum Spektakel. In diesem Fall handelt es sich um ein recht chaotisches Spektakel.
Finden Sie heraus, wann die Muslime wieder ihr Opferfest feiern (aufgrund des islamischen Mondkalenders, der elf Tage kürzer ist als der gregorianische Kalender, »wandert« der Feiertag), und richten Sie Ihre Satellitenantenne auf den türkischen Satelliten. Auch wenn Sie kein Türkisch verstehen – es lohnt sich.
In den Abendnachrichten werden Schlachtbilder aus der ganzen Türkei gezeigt. Jeder, der schon mal eine Tomate geschnitten hat, glaubt, er sei ein Metzger, und will das Tier, das er für viel Geld auf dem Markt gekauft hat, eigenhändig schlachten.
Zum Opferfest werden überall im Land Tiermärkte abgehalten. Da die Preise dort in den letzten Jahren stark gestiegen sind, verläuft das Geschäft für die Züchter nicht mehr zufriedenstellend. Einzelhandelsketten wie Tansas und Migros haben Morgenluft gewittert und bieten seit Kurzem Opfertiere an. Sogar Ratenzahlung wird eingeräumt.
Während des ersten Feiertages werden regelmäßig hunderte Türken, die sich beim
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