Der Tuerke - Das Original
Schlachten des Opfertieres Verletzungen zugezogen haben, in die Notaufnahmen türkischer Krankenhäuser eingeliefert.
Viele der Tiere, die dem Türken Widerstand entgegensetzen, schaffen es sogar, ihrem Schicksal – wenn auch nur kurzzeitig – zu entfliehen. So können Sie im türkischen Fernsehen Schafe und Rinder sehen, die den Großstadtverkehr lahmlegen und nur mit Mühe wieder eingefangen werden können. Besonders problematisch gestaltet sich die Überzeugungsarbeit bei Bullen, die etwa 700 bis 800 Kilo auf die Waage bringen. In diesen Fällen gelingt es dem Besitzer – falls überhaupt – oft nur mit Hilfe von Passanten und unter Hinnahme schmerzvoller Blessuren, des Tieres wieder habhaft zu werden.
Doch der Türke ist sehr kreativ und erfinderisch: Während des Opferfests wird für die Bürger in weiser Voraussicht eine Bullen-Hotline (Alo Boga) eingerichtet. Sobald das Steak in spe um die Ecke biegt, greift der Türke zum Hörer und alarmiert die Bullen-Polizei. (Dieser Service wird übrigens in keinem anderen muslimischen Land angeboten.)
Wenn es den Amateur-Schlachtern irgendwann doch gelingt, das Rind zu besiegen, verändert sich das Stadtbild gravierend. Türken, die nicht viel von Gesetzen und Regeln halten, bringen die Tiere nicht zu den öffentlichen, von der Stadt zur Verfügung gestellten Schlachtplätzen, sondern zerlegen sie stattdessen im Garten, auf dem Balkon, auf der Straße usw. Ein 8 0-Jähriger aus der Stadt Rize soll eine Kuh sogar auf das Dach eines achtstöckigen Wohnhauses gezerrt und sie dort geschlachtet haben. Warum weiß keiner. Vielleicht war es der letzte Wille der Kuh.
Nach dem Opferfest sieht die Türkei wie ein großesSchlachtfeld aus. Überall wimmelt es von Fliegen, die an den Resten der Tiere interessiert sind. Alle zehn Meter läuft man an einer Blutlache vorbei. Und es stinkt.
Die Regierung ist seit Jahren dabei, zentrale Schlachtorte durchzusetzen, um dort das Schlacht-Ritual möglichst einfach und sauber durchführen zu können. Viele machen bereits Gebrauch davon. Gott sei Dank: Die Tendenz ist steigend.
Ansichten eines Neu-Deutschländers
Cemil lebt erst seit einem halben Jahr in Deutschland. Er hat in Istanbul Mathematik studiert. Da er als Akademiker ohne Fremdsprachenkenntnisse, Auslandsaufenthalte und – was am meisten ins Gewicht fällt – ohne Beziehungen zu irgendwelchen Vorstandsetagen, Politikern oder anderen einflussreichen Menschen keine Chance auf dem türkischen Arbeitsmarkt hat, bat er seine Tante in Berlin, ihn nach Deutschland einzuladen. Am liebsten wäre er zwar in die USA oder nach England gegangen, doch da seine Tante nun mal in Deutschland lebt, blieb ihm keine andere Wahl und er kam hierher.
An deutschen Hochschulen wird türkischen Akademikern ihr Studium zur Hälfte anerkannt. Das heißt, sie starten hier mit dem Hauptstudium. Doch vorher müssen sie ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen. Bis diese Hürde genommen werden kann, vergeht viel Zeit. Manche schaffen es in einem Jahr, manche brauchen zwei. Viele geben auf und gehen zurück in die Türkei. Andere heiraten in Deutschland, werden selbständig, arbeiten auf dem Wochenmarkt oder am Fließband.
Viele Türken besuchen zuerst die Volkshochschule, um Deutsch zu lernen. Anfangs sind sie sehr euphorisch: »Ich bin Akademiker! Deutsch ist doch auch nur eine Sprache! Ich werde mich ein wenig hineinknien, und in drei Monaten nehme ich mein Studium auf. In zweieinhalb Jahren bin ich wieder in der Türkei. In Istanbul werden die sich ummich reißen. Unter 3000 Dollar im Monat unterschreibe ich keinen Vertrag! Yippie!«
Nach zwei, drei Wochen kommt üblicherweise die Ernüchterung: »Mann, ist das eine schwere Sprache! Dativ, Akkusativ, Genitiv und diese dämlichen Artikel! Das lerne ich nie!« Dann fängt der türkische Student in der Regel an, die Volkshochschule zu schwänzen. Zunächst einen Tag in der Woche, dann zwei. Irgendwann hört er ganz auf.
Aber Cemil gehört zu der willensstarken Sorte. Er besucht seinen Kurs ohne Fehltage, lernt zu Hause und versucht, auch in seiner Freizeit deutsch zu sprechen. Er trifft sich mit seinen Kurskameraden außerhalb der Volkshochschule, um mit Gleichgesinnten die neue, widerspenstige Sprache zu bezwingen.
Als ich ihn zuletzt traf, war er dennoch ein wenig betrübt.
»Was ist mit dir? Hast du keine Lust mehr, Deutsch zu lernen?«, fragte ich.
Er erzählte mir, dass es sehr schwer für ihn sei, sich zu motivieren: »Das alles zieht sich
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