Der Turm von Zanid
Schwert leicht angewinkelt, bereit zuzustoßen, soweit es seine begrenzte Standfläche erlaubte. Die Zoowärter vor dem Käfig riefen ihm etwas zu, doch er wagte nicht, den Blick von der Bestie zu wenden.
Die mächtigen Kiefer öffneten sich und schnappten zu. Fallon stieß mit der Klinge nach ihnen. Der Shan packte die Klinge mit den Zähnen und riss sie mit einer schnellen Seitwärtsbewegung Fallon aus der Hand, so dass sie im hohen Bogen durch den Käfig wirbelte. Dann stieß die Bestie ein furchterregendes Schnauben aus. Als die Kiefer erneut aufklappten, sah Fallon, dass die Klinge das Tier leicht verwundet hatte. Braunes Blut sickerte aus dem Unterkiefer.
Das Ungeheuer bog den Kopf zurück und riss das Maul zum entscheidenden letzten Zuschnappen auf – als sich plötzlich von oben ein Eimer voll Flüssigkeit über Fallon ergoss. Als er prustend hochblinzelte, gewahrte er, dass Fredro neben ihm derselben Behandlung teilhaftig ward. Gleichzeitig bemerkte er einen entsetzlichen Gestank, der ihn an ein Reinigungsmittel für Schafe erinnerte.
Nach einem verdutzten Zurückzucken stieß der Shan seinen Kopf erneut vor, schnüffelte und ließ sich dann mit angewidertem Schnauben auf alle sechs zurückfallen. Dann drehte er sich um und kroch zurück in seine Höhle.
Fallon sah sich um. Hinter und über ihm hielten zwei Zoowärter von außen eine Leiter gegen den Zaun, genau an der Stelle, wo die beiden ihn überklettert hatten. Ein dritter war hinaufgestiegen und hatte die Eimer über ihren Köpfen geleert. Gerade reichte er den zweiten Eimer seinen Kameraden hinunter, um die Hände zum Abstieg freizuhaben.
Ein weiterer, Zoowärter, der weiter unten auf dem Hang stand, rief ihnen durch die Gitterstäbe zu: »Steigt rasch herunter, meine Herren; wir lassen euch durch die Käfigtür heraus. Der Geruch wird den Shan zurückhalten.«
»Was ist das denn für ein Zeug?« fragte Fallon beim Hinunterklettern.
»Aliyab-Saft. Das Tier ekelt sich vor dem Gestank desselben, deshalb besprengen wir immer unsere Kleider damit, wenn wir in den Käfig wollen.«
Fallon hob sein Schwert auf und lief durch die Käfigtür, die die Wärter inzwischen geöffnet hatten. Er wusste weder, was Aliyab-Saft war, noch war er sonderlich interessiert, es zu erfahren; er fand bloß, dass seine Retter vielleicht ein wenig sparsamer damit hätten umgehen können. Fredros Bündel war völlig durchnässt, und das krishnanische Papier, das nicht sonderlich widerstandsfähig gegen Wasser war, begann sich aufzulösen.
Einige der Wärter umringten sie und deuteten an, dass ein kleines Trinkgeld als Belohnung für die Rettung nicht unwillkommen wäre. Leicht verärgert, wie er immer noch war, hätte Fallon ihnen am liebsten gesagt, sie sollten sich zum Hishkak scheren, und überhaupt habe er nicht übel Lust, die Stadt wegen des Vorfalls zu belangen. Doch das wäre ohnehin nur ein leerer Bluff gewesen, da Balhib noch nicht jenen Grad von Zivilisation erreicht hatte, wo eine Regierung oder Verwaltung es erlaubt, dass ein Bürger sie verklagt. Und immerhin hatten sie ihm ja tatsächlich das Leben gerettet.
»Sie wollen Geld«, sagte er zu Fredro. »Sollen wir ihnen einen Betrag gegen, den sie sich dann teilen können?«
»Das ibernähme ich«, erwiderte Fredro. »Sie arbeiten fir mich, also ich bin värantwortlich. Fir einen Polen das ist Ährensache.«
Er gab Fallon eine ganze Faust voll Goldstücke und trug ihm auf, sie dem Oberwärter mit der Bitte auszuhändigen, sie gerecht unter den Wärtern zu verteilen, die an der Rettungsaktion beteiligt gewesen waren. Fallon, nur zu erfreut, dass die Kosten für die Rettung von der Ehre der Volksrepublik Polen bestritten wurden, tat wie geheißen. Dann sagte er zu Fredro: »Kommen Sie. Wir haben noch eine Menge Vorbereitungen zu treffen.«
Kaum dass sie den Wärtern den Rücken gekehrt hatten, entbrannte unter diesen ein wilder Streit um die Aufteilung des Geldes. Die beiden Erdenmänner bestiegen einen Omnibus und quetschten sich auf den ersten freien Platz, den sie fanden.
Das Vehikel ratterte eine Weile in westlicher Richtung entlang der Nordseite des Bacha. Irgendwann fiel Fallon plötzlich auf, dass sich fast alle Sitze in unmittelbarer Nähe von Fredro und ihm geleert hatten. Er stand auf und setzte sich neben den Archäologen.
In der Sitzreihe neben ihm, auf der anderen Seite des Zwischengangs, sprengte ein bunt gekleideter Zanidu mit einem Schwert an der Hüfte Parfüm auf ein Taschentuch, dann
Weitere Kostenlose Bücher