Der Turm
betrachten, bis das, was gerade war, schief wird und aus einer Katze plötzlich ein Hund. Was bei euerm Chakababa oder wie er heißt, der Name ist ja völlig unaussprechlich, schon beinahe der Fall ist. Vor dem haben bestimmt sogar die Ungeheuer vom Arbogast Angst. Übrigens eine Unverschämtheit, die Straße so mit Giftgasen zuzustänkern! Ja, Giftgase, ich weiß genau, was ich sage. Ein ganz zwielichtiger Typ ist dieser Baron, der soll ja bei den Russen … na, dem traue ich alles zu. Giftgase. Wie das stinkt, und das, wenn wir Hochzeit feiern. Dabei haben wir Anschläge gemacht, auf denen es klar und deutlich zu lesen steht. Das sind richtige Geruchsverbrecher da in seinem dubiosen Institut. Enöff.« Barbara wischte etwaige Einwände Menos mit einer energischen Geste beiseite. Er war neben Gudrun stehengeblieben und versuchte Braut und Bräutigam im Blick zu behalten, während Barbara eine Kleiderbürste hervorzog und ihm Schuppen vom Jackett kehrte. »Wie findet ihr ihn? Ist das nicht ein toller Mann? So attraktiv! Und hat was im Kopf, ein Arzt, ein Chirurg, der wird nie verhungern, und Ina wird es immer gutgehen.«
»Wenn er treu ist«, dämpfte Gudrun. »Ich an Inas Stelle hätte ihm aus der Hand lesen lassen. Eine Kollegin von mir macht das, gar nicht teuer.«
»Glaubst du etwa daran?« Barbaras Armreifen klirrten, als sie von Meno abließ und sich durchs Haar fuhr, das in beeindruckender Festigkeit auf einer Lajos Wienerschen Experimentalfrisur bestand (Dreiwettertaft, eines von Ulrichs Tauschgeschäften, die er unterderhand und inzwischen ziemlich erfolgreich betrieb); ihr Blick pendelte von einem Auge Gudruns zum andern, doch Gudrun wählte umständlich einen Wurstspieß von ihrem Imbißteller, ehe sie antwortete: »Man kann daran glauben – oder an etwas anderes, das bleibt sich am Ende gleich. Auf jeden Fall wäre es ein Punkt, auf den man achten könnte. Man hätte ihnberücksichtigt, braucht sich später keine Vorwürfe zu machen. Und meine Kollegin hatte bisher immer recht.«
»Tatsächlich? Na so was, Donnerwetter. Und liest sie nur für Hochzeiten aus der Hand oder auch allgemein? Könnte ich sie zum Beispiel fragen, wie lange ich lebe?«
»Denke schon, obwohl ich glaube, daß sie auf Treue spezialisiert ist.«
»Jaja, Gudrun … Und gar nicht teuer, sagst du? Es heißt ja, daß die dunkelhaarigen Männer mit blauen Augen untreu sind. Robert zum Beispiel. Findest du nicht auch, daß es erschreckend ist, wie schnell sich die jungen Leute heutzutage entwickeln? Andererseits hat das entschieden etwas Positives. Ich dachte immer, daß mir Ina so einen Langhaarigen anschleppt, aber nein, es ist meine kluge Tochter, hat meinen Instinkt geerbt. Eines Tages steht sie vor der Tür und sagt: ›Mam, das ist Thomas, wir sind uns eigentlich einig.‹ Und ich habe nichts bemerkt, überhaupt nichts! Ich muß krank gewesen sein, anders kann ich mir das nicht erklären!«
»Schwarzhaarige Männer mit blauen Augen sind untreu? In ›Paris Match‹ bei Wiener stand in einem Artikel über Alain Delon, daß er sehr treu ist. Romy Schneider und er –«
»Zeitungsblödsinn, Gudrun! Damit wollen sie seine weiblichen Fans bei der Stange halten. Treu? So wie der aussieht? Naja. Anne sagt, daß Robert schon eine Freundin hat – aber ich sehe sie nicht, er hat sie nicht mitgebracht. Hat er also schon ’ne andere. Und ob Richard so treu ist … Freilich hat er blondes Haar, aber die Augen sind doch ziemlich, ziemlich blau. Ich meine, was findet er schon an Anne, sie ist doch recht hausbacken geworden in letzter Zeit, sie sollte mehr für sich tun. Richard ist ein Mann in den besten Jahren, hat eine gute Stellung, stellt was dar, die Kinder gehen allmählich aus dem Haus, da wird man wieder offen für gewisse Angebote …« Barbara machte eine um Nachsicht bittende Geste, um Meno zu halten: »Ich weiß, sie ist deine Schwester, und was ich gesagt habe, könnte beleidigend klingen, aber so meine ich es nicht. Ich finde es schlimmer, wenn einem niemand was sagt und man eines Tages vor Scherben steht – und ringsum nicken sie alle und haben alles schon längst gesehen und gewußt. ÜberRichard wird allerlei geredet; ich habe mich mit Thomas eingehend unterhalten …«
»Was wird denn geredet?« fragte Meno.
»Siehst du, jetzt wirst du neugierig und schaust schon weit weniger streng drein. Dies und das wird geredet. Was soll’s, Dresden ist klein. Und du erinnerst dich daran, was er uns selbst gestanden hat.«
»Ich
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