Der Turm
Teil des Gartens zu.
»Wann ist es denn soweit? Und wißt ihr schon –«
»Es wird ein Sohn«, sagte Ina mit Bestimmtheit.
»Nein, es wird ein Mädchen.« Wernstein lachte. »Übrigens sind wir bei Weniger. – Was halten Sie … was hältst du von ihm?« »Einer der besten Gynäkologen, den ich kenne. Alte Schule.« »Fünfter Juli«, sagte Ina. »Es wird ein Sohn. Du hast deine klinischen Weisheiten, aber ich bin die Mutter, ich weiß, daß es ein Sohn wird. Onkel Richard: Würdest du für Thomas ein Empfehlungsschreiben ausstellen?«
»Ja, natürlich«, sagte Richard, verblüfft über Inas Direktheit.
»Darf ich dich was fragen? Was hältst du eigentlich von ihm, als Chirurg?«
Richard warf ihr einen forschenden Blick zu. Wernstein war feuerrot geworden und wehrte ab; sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, daß ich taktlos bin, aber ich möchte es gern wissen. Ich wünsche mir, daß du mir eine ehrliche Antwort gibst, und wenn du meinst, daß es nichts für seine Ohren ist, schicken wir ihn weg. – Übrigens sieht Christian nicht gut aus. Vielleicht übertreibt er? Ein bißchen pathetisch war er ja schon immer.«
»Ich glaube nicht, daß er übertreibt. Er ist jetzt im Städtchen Grün bei der Truppe.«
»Er hat mir einen Krug geschenkt. Ich glaube, ich werde ihn sehr gern haben.«
»Den Krug oder Christian? Dann sollten wir deinen Mann wirklich wegschicken.«
»Wir müssen mal wieder richtig flachsen, Onkel Richard. Meinen Sohn.«
Richard legte die Hände auf den Rücken, spürte, daß sowohl Ina als auch Wernstein neugierig waren, was ihn unangenehm berührte, er empfand es als ein wenig ungehörig, auch störte ihn die leise Gier, der Anflug von Berechnung in Inas Frage – als würde sie ahnen, daß es ihm unter diesen Umständen: allein mit dem Hochzeitspaar, nicht möglich sein würde, auszuweichen. »Ich würde dir deine Frage nicht beantworten, wenn ich ausRücksicht auf eure Hochzeit lügen müßte. Ich hätte mich dann schon rausgewunden, glaub’ mir. Aber da ich euch den Tag nicht trüben muß, wie ich hoffe, kann ich auf eine ehrliche, direkte Frage eine ehrliche, direkte Antwort geben. Ich halte deinen Mann für einen geborenen Chirurgen und verspreche mir viel von ihm. Ich wäre froh und stolz, wenn meine Söhne seine Fähigkeiten hätten. Ich kann auch sagen, daß er so etwas wie ein Sohn für mich ist. Eigentlich hatte ich mir gewünscht, Thomas, daß du meine Nachfolge antrittst, aber ich sehe, du hast andere Pläne. Wenn du Wert auf meine Meinung legst: Ich an deiner Stelle würde genau das tun, was du zu tun vorhast. Leider hat Müller mir als Assistenten nicht dich, sondern Kohler zugeteilt.«
»Ausgerechnet den!«
»Kein schlechter Chirurg, aber er kann dir nicht die Klinge reichen. Mal sehen, was ich für dich tun kann. Ich kenne einige Leute an der Charité. Übrigens könntest du auch abwarten, Müller wird nächstes Jahr emeritiert. Was nicht heißt, daß es dann leichter wird. – Vielleicht reden wir später weiter, oder ein andermal, eure Freunde sind schon ungeduldig. Wie fandet ihr die Predigt?«
»Du solltest nicht so streng sein, Onkel Richard. Paps war auch gegen die kirchliche Heirat, aber ich wollte es so. Für einen, der Gottes Wort mitten im Atheismus verkünden muß, macht er es sehr gut, wie ich finde.«
»Schon recht, schon recht«, lenkte Richard ein. Er sah den beiden nach, als sie sich in Richtung Gartenhaus entfernten. Sie wechselten ein paar Worte mit Josta und ihrem Mann; Josta hielt Lucie an der Hand und ließ nicht los, und bevor seine Tochter zu ihm sah, drehte sich Richard um und ging schnellen Schritts davon. Dieses Jahr kommt sie in die Schule, dachte er.
Meno wunderte sich über den Brauch, zur Hochzeit einen Baumstamm zu zersägen. Zwei Menschen verbanden sich miteinander und bekräftigten diese Verbindung ausgerechnet dadurch, daß sie, wie jetzt Ina und Wernstein, eine Zimmermannssäge an einen Stamm mit dem Durchmesser eines Telegrafenmastes setzten und unter den Anfeuerungs- und Neckrufen der Gäste begannen, sie hin- und herzuschwingen. Ina erlahmte bald undbettelte lachend um Ablösung. Helmut Hoppe rief, daß damit schon die Untreue beginne, daß es auch bei der Geburt keine Ablösung gebe, »also sägen, Kind!«, andernfalls habe man eben zu hören bekommen, daß die Braut selbst nach ihrer Rivalin rufe. »Meno, du denkst wieder mal völlig quer. Gemeinsam eine Prüfung meistern, das ist der Sinn. Du mußt auch jedes Ding so lange
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