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Der Turm

Der Turm

Titel: Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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glaube, Dekonspiration ist die beste Methode, um mit denen gerade nicht zusammenzuarbeiten. Ich muß Richard in Schutz nehmen.«
    »Damals hast du ein bißchen anders geredet, Gudrun. Du sagtest, daß sich die Sicherheit nur an ganz bestimmte Leute heranmacht … und daß man sie nicht reizen soll. Kann mich recht gut daran erinnern. Guckt mal, da kommt die Hochzeitstorte. Ist das nicht ein Prachtstück? Die Idee mit der abgeschnittenen Hand hatte Ina, sie fand das irgendwie – chirurgisch. Für das Blut haben sie rote Grütze genommen. Oder war’s Ketchup? Na, ihr werdet’s ja merken.«
    »Und die Elle steht für Pädagogik? Ist die aus Zuckerguß? Übrigens finde ich es nicht sehr nett, wie hämisch du mir meine tatsächlichen oder angeblichen Worte auftischst. Das hat was Tückisches, als würdest du heimlich alles notieren, was wir sagen, nur damit du uns Jahre später mit Widersprüchen konfrontieren kannst, die Weiterentwicklung oder eine geänderte Meinung wie Blödheit aussehen lassen. Was würdest du davon halten, wenn ich Jahre später und bei jeder Gelegenheit den Schrei nachahmen würde, den du vorhin in der Kirche ausgestoßen hast?«
    »Könntest du sicher sehr gut. Schlägt ja in dein Fach.«
    »Enöff, Barbara, enöff«, Gudrun traf genau den Ton, und Barbara wußte eine Weile nicht, wie sie es verstehen wollte, dann wischte sie, die Augen schließend, durch die Luft.
    »Sie sind doch ein schönes Paar, findet ihr nicht? Er himmelt sie nicht an, das wäre ganz verkehrt, er würde enttäuscht werden und sich in Arbeit, Suff oder Affären flüchten. Es ist nicht so, daß ausgesprochen hübsche Frauen, wie Ina ja eine ist, keine Fehler haben. Sie ist schon ein wenig verwöhnte Prinzessin, wir haben sie vielleicht zu locker erzogen, und wenn das Kind da ist, er den ganzen Tag arbeitet, abends womöglich noch an seinerB-Promotion, wird sie sich umsehen und merken, was Familie heißt. Sie wollen ja nach Berlin. Der Umzug bleibt ja dann auch an ihr hängen.«
    »Das beste ist, gleich ein paar Termine bei einer guten Kosmetikerin zu machen. Geburt und das danach, wenn so ein kleiner Hosenscheißer von früh bis spät an deinen Nerven zerrt, sind nicht gerade gut für den Teint. Und Ina ist schon hübsch, da hast du recht, aber sie gehört, glaube ich, in die Kategorie derer, die früh verblühen … Ihre Haut wirkt ein wenig spröde. Sie lagert auch ein, soweit ich sehen kann, das deutet auf schwaches Bindegewebe, das bleibt auch nach der Geburt ausgeleiert. Nicht gerade das, was sich Männer wünschen. Gerade für Frauen mit schwachem Bindegewebe ist das erste Kind oft eine Katastrophe, sie gehen auseinander wie die Russinnen, und Ulrich ist ja in Moskau geboren.«
    »Schaut mal, der Bräutigam will was sagen«, versuchte Meno. Wernstein hielt eine kurze Rede, dankte den Gästen, nahm Inas Hand und küßte sie. Adeling trug Tabletts mit Krimsekt, Ulrich tupfte sich die Stirn mit seinem Brusttuch und klopfte mit einem Löffel gegen sein Glas.
    »Sympathischer Junge, denkt nicht, er ist was Besseres«, Barbara ließ Gudrun, die den Hals reckte, keine Chance, etwas von Ulrichs Rede mitzubekommen. »Und so tragisch! Hat überhaupt keine Verwandten mehr. Seine ganze Familie kommt aus dem Uran. Gottseidank brauchte ich nicht mehr zu fragen, ob es bei ihm … na, enöff. Schnorchel und ich hatten schon einen Nachmittag dafür angesetzt, es wäre ja eher sein Ding gewesen, unter Männern, aber er hat sich nicht getraut, konnte die ganze Nacht nicht schlafen vor lauter Überlegungen, wie er’s anstellen könnte … Gott, was für Formulierungen. Am nächsten Tag kam Ina mit dem positiven Test vom Frauenarzt.«
    »Sag mal, was ich noch fragen wollte, Barbara: Wieso ausgerechnet Brotwein? Ich meine, das ist doch Kwaß. Oder wollte es Ulrich so? Träumt er eigentlich manchmal auf russisch? Oder du, Meno?«
    »Das kann Meno doch nicht wissen. Es liegt doch niemand neben ihm, der es ihm am nächsten Morgen sagt. Schade eigentlich. Warum heiratest du nicht wieder? Hanna war einfach nichtdie Richtige für dich, das hätte ich dir von Anfang an sagen können. Sie wußte ja nicht mal, wie man ein Suppenhuhn zubereitet. Wenn du mich fragst«, Meno fragte nicht, hörte Barbara aber amüsiert zu, »du brauchst eine Frau, die dir sagt, wo’s langgeht. Die was von den praktischen Dingen versteht. Ich meine, du hast doch noch nicht mal ’n Auto. Kannst du überhaupt fahren? Aber woher nehmen und nicht stehlen bei dem

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