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Der Turm

Der Turm

Titel: Der Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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kleine Stie-klitz sieht oder nicht?« Marroquin tauchte unter dem schwarzen Pharaonentuch auf und wies auf Inas Bauch. »Dann bitte kuk-kähn auf Domizil von Steigbügel des Imperialismus.«
    Magenstock antwortete mit einem gelangweilten Brauenlüpfen. »Luft anhalten. Achtung: … Zwei Knirrpse haben Zunge rausgestreckt, noch mal? Fällt aber dann aus Tarrif!« Wernstein und Ina winkten ab, obwohl Barbara ihnen Vorhaltungen machte und Traudel Hoppe hatte niesen müssen. Den Brautstrauß fing Kitty Stenzel.

    Die Feier sollte im Tausendaugenhaus stattfinden. Zwei Tage vor der Hochzeit waren im Italienischen Haus Ballons mit Brotwein geplatzt, den Ulrich angesetzt hatte; er war ungeduldig gewesen, hatte Raumheizer danebengestellt, der Gärdruck hatte kreisrunde, wie mit dem Glaserdiamanten geschnittene Scheiben aus den Gefäßen springen lassen. Im Garten zogen Meno und Ulrich die vollgesogenen, klebrigen afghanischen Brücken und Tibet-Läufer, den großen Vietnam-Perser aus dem Wohnzimmer, Barbaras Fuß-Fernreisen und täglich staubgesaugter Stolz, durch Zinkwannen mit heißem Wasser. Der Brotwein sickerte durchs Parkett in die daruntergelegene Wohnung – ein Apparat mußte besorgt werden, der die Feuchtigkeit aus den Wänden zog (Herr Klothe, der auf dem Balkon saß und einen Kringel in ein Teeglas tunkte, als die Teppiche wie farbenfrohe Rochen in den Garten klatschten, kannte jemanden, der jemanden kannte); eine Malerbrigade organisiert und aller Mut zu einem reumütigen Klingeln an einer abweisend verschlossenen Tür zusammengekratzt werden: Ob Familie Scholze als vorläufigen Trost eine Einladung zur Hochzeit anzunehmen bereit sei? Jetzt stand Herr Scholze neben Pedro Honich auf dem Wäscheplatz vor der Brüstung mit dem Adler und fachsimpelte über die Zubereitung des Spanferkels. Er favorisierte Le Pourcelet Farci, aber Honich fand keinen Fleischer, bei dem man die Füllungen für das gefüllte Ferkel bekommen konnte (»gekochter Schinken? vierhundertfuffzch Gramm? hammer ni!«), keinen Händler, der imMai fünfzig Kastanien vorrätig hatte, kein Molkereigeschäft, das Parmesan Grana oder gereiften Comte-Käse anbot, und nicht einmal im »Delikat« gab es Safranfäden. Pedro Honich blieb bei Spanferkel serbisch, er sagte: »jugoslawisch«. Helmut Hoppe und Kürschnermeister Noack gesellten sich dazu, gaben kluge Kommentare und trugen die Verantwortung, während Honich Bratwurstfülle bereitete, Paprika schnitt, das Ferkel von innen mit Salz abrieb, Pußtasoße und Bier erhitzte. Meno hielt sich abseits. Die Kaminski-Zwillinge waren verreist und hatten ihre Wohnung verschlossen, sonst standen alle Türen im Haus offen. In der Remise hatten Meno und Ingenieur Stahl einen Tisch mit Broten und einen mit Kaltem Büfett aufgebaut, das die »Felsenburg« geliefert hatte; Kellner Adeling und Reglindes Freundin, inzwischen in der »Felsenburg« angestellt, servierten Dänische Soße mit Klößchen.
    Von Arbogasts Chemischem Laboratorium her roch es zuerst nach Pfirsich, dann nach Gülle. Christian hielt nach Fabian und Muriel Ausschau, sah sie aber nicht, auch ihre Eltern waren nicht da, hatten sich jedoch mit einer Kamera beteiligt (Modell »K 16«, Christian kannte es vom »Unterricht in der technischen Produktion« bei Pentacon), die bei den anderen Hochzeitsgaben auf einem Tisch im Gartenhaus lag; Alois und Libussa hatten ihn vor dem Regen in Sicherheit gebracht. Schallplatten, Bücher (medizinhistorische Schweinslederbände aus Ulrichs Sammlung, eine komplette Chirurgie nebst Gipslehre von Lorenz Böhler, alle anwesenden Chirurgen hatten Wernstein darum beneidet); daneben von Anne, Richard und Meno ein »dkk«-Kühlschrank mit Zwei-Stern-Kältefach; von den Hoppes ein Kinderwagen und Babysachen (»Das Windelhöschen Baby-Schick / Ist jeder Mutter höchstes Glück«); Barbara hatte für ihren Schwiegersohn einen Winter- und einen Sommeranzug genäht; Kurt und Ulrich schenkten eine Reise (mit der MS »Arkona« nach Kuba, Ina war außer sich vor Freude gewesen); Christian sah eine Waschmaschine, Gutscheine für Möbel (Tietzes, Niklas hatte noch eins seiner Petersburger Stethoskope draufgelegt); von Kürschnermeister Noack ein Marderpelzmuff »für die Dame« (angedeuteter Handkuß), ein Mantelkragen aus Lammfell »für den Herrn« (angedeutete Verbeugung); von WernsteinsKollegen ein Paddelboot. Neben all diesen nützlichen Dingen nahm sich dagegen sein Geschenk … Christian konnte es nicht recht in Worte fassen,

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