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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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nicht?«
    »Aber nein!«, rief ich hastig. »Setz dich!«
    Emil schob ihr den Stuhl hin, und Volker schenkte ihr ein Glas Wasser ein.
    »Ich kann aber nichts essen!«, sagte Lisa und berührte ihren Bauch. »Ich habe bestimmt drei Kilo zugenommen.«
    »Steht dir aber gut!«, sagte Volker. »Wie geht’s dem Baby?«
    Zum ersten Mal hatte er nicht mehr diesen herablassenden Ton drauf, sondern es schwang Friedensbereitschaft in seiner Stimme mit.
    »Und was macht Sven?« Volker nahm sich eine Scheibe Brot aus dem Körbchen und belegte sie mit Schinken.
    »Oh, danke, alles supi.«
    »Du hast ihn hoffentlich schön gegrüßt?!«
    Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu.
    »Ähm, was? Sven? Äh ja, klar. Schöne Grüße übrigens zurück. Kinder, schaut, was ich euch mitgebracht habe …«
    Die Kinder steckten die Köpfe zusammen und packten ihre Mitbringsel aus. Ich bestaunte noch einmal das wunderschöne Armband, das im Schein unserer Kronleuchter funkelte.
    Mir hatte Lisa so eine russische Puppe mitgebracht, in der weitere russische Puppen stecken. Wir drehten sie alle auf und waren überrascht, wie viele kleine Püppchen sich noch darin verbargen, und ich stellte sie alle auf den Kaminsims.
    Volker erkundigte sich interessiert nach dem Schiff: wie viele Knoten, wie viele Meilen, wie viele Tonnen – typische Männerfragen eben, die sie aber wie aus der Pistole geschossen beantwortete. Fast so, als hätte sie sie auswendig gelernt.
    Es wurde dann noch ein sehr harmonisches Abendessen. Lisa hatte Prospekte vom Schiff dabei und zeigte uns die vielen Schnappschüsse, die jemand von ihr und Sven mit dem Handy gemacht hatte. Sven sah toll aus in seiner Uniform. Die beiden waren ein Traumpaar.
    Dann ging Volker in sein Arbeitszimmer, Emil wollte ein Fußballspiel im Fernsehen sehen, und ich brachte die Mädchen ins Bett, während Lisa ganz selbstverständlich die Küche aufräumte. Dabei sang sie ganz entzückend vor sich hin. Ganz unauffällig und selbstverständlich. Ohne gefallen zu wollen. Sie sang immer, wenn sie glücklich war.
    Witzig, dachte ich. Oma Leonore singt auch immer. Aber bei ihr ist es eine quälende Selbstinszenierung.
    »Endlich ist Lisa wieder da«, sagten die Mädchen seufzend, als ich ihnen gute Nacht sagte.
    Paulinchen hüpfte vor lauter Aufregung noch ein bisschen in ihrem Lillifee-Schlafanzug auf dem Bett herum: »Mama, kommt jetzt die Oma Leonore nicht mehr so oft?«
    »Mama, die Oma neeeeervt so!«, ließ sich Charlotte vernehmen.
    »Mal sehen.« Ich strich ihnen über die Köpfe. »Ich habe Lisa auch lieber als die Oma, aber das muss unter uns bleiben!«
    Später standen Lisa und ich in der Küche und lehnten an den funkelnden Arbeitsflächen, jede ein Glas Wein in der Hand.
    »Danke, dass du aufgeräumt hast.«
    »Das habe ich doch gern getan. Schließlich bin ich deine Freundin. Außerdem habe ich dich auch vermisst«, sagte Lisa plötzlich mit einer ganz veränderten Stimme. Wie eine welke Blume ließ sie ihren Kopf auf meine Schulter sinken.
    Ich rutschte erstaunt von ihr ab. »Ach komm. Du warst mit deinem Mann zusammen, und ihr hattet eine tolle Zeit!«
    »Ich muss dir was sagen, weiß aber nicht, wie.«
    Ihr Gesicht war auf einmal ganz blass unter der Bräune.
    »Was ist los?« Gleich rückte ich wieder dicht an sie heran.
    »Also, ich habe mal irgendwann im Bad was gesucht. Ehrlich gesagt wollte ich mir seinen Rasierapparat ausleihen.«
    »Ja und?« Was sollte das denn jetzt werden? Trotzdem war es tausendmal interessanter als die Geschichten über die Christel von der Post.
    »Und dann habe ich sein Necessaire aus dem Badezimmerschränkchen genommen. Ich wollte wirklich nicht rumschnüffeln oder so …«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich Kondome darin gefunden.«
    »Oh.« Ich musste mich setzen. »Das ist …« Ich sah sie ratlos an. »Das ist Scheiße.«
    »Das findest du doch auch, oder?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Eine davon blieb an ihren langen Wimpern hängen.
    »Das muss doch gar nichts bedeuten.« Glaubte ich das selber?
    »Findest du?« Lisa setzte sich auf die Arbeitsfläche und ließ mutlos die Beine baumeln.
    »Ich weiß nicht …«
    »Wieso hat Sven Kondome im Necessaire?« Sie sah mich ratlos an und nahm einen Schluck Wein, obwohl das gar nicht gut für sie war.
    »Du bist schwanger! Wozu braucht er da Kondome?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Hast du ihn gefragt?«
    »Nicht sofort. Ich hab da erst mal zwanzig Minuten wie bematscht auf dem Klodeckel gesessen, und mir

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