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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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im Kulturbeutel«, sagte Nathan plötzlich. »Das muss überhaupt nichts bedeuten.«
    »Hast du gelauscht?« Ich funkelte ihn wütend an.
    »Mann, ich wohne hier!«, giftete er zurück. »Entschuldigung, dass ich nicht mit Ohrenklappen rumlaufe!«
    Er riss die Kühlschranktür auf, nahm sich eine Literpackung Milch und latschte wieder davon.
    Natürlich berichtete ich Volker noch in derselben Nacht, was vorgefallen war, und flehte ihn an, die arme Lisa jetzt nicht hinter ihre Hecke zu verbannen. Wir hatten uns gerade wieder leidenschaftlich geliebt, aber bevor er einschlafen konnte, wollte ich das Thema noch unbedingt besprechen.
    »Herzerl, damit das ein für alle Mal klar ist!«, sagte Volker zärtlich, während er mich noch im Arm hielt. »Ich habe eingesehen, dass Lisa dir am Herzen liegt. Die Kinder lieben sie, und sie liebt die Kinder. Bitte nimm zur Kenntnis, dass ich Lisa inzwischen sehr mag.« Er gab mir einen zärtlichen Stups und drehte sich dann um, um den Wecker zu stellen. »Danke, Volker.« Ich legte mich auf den Rücken und seufzte erleichtert auf. »Ich will und muss mich jetzt um sie kümmern.«
    »Das kann ich gut verstehen.«
    Ich seufzte besorgt. »Sie muss demnächst die Premiere von Così fan tutte singen. Wie soll sie das machen, wenn es ihr so schlecht geht?«
    »Wenn sie nicht schwanger wäre, würde ich ihr einen Stimmungsaufheller verschreiben. Aber hiermit hast du die offizielle Erlaubnis, sie in unsere Familie aufzunehmen.«
    »Du bist so lieb, Volker, danke!«
    »Keine Ursache.«
    »Meinst du, sie trennen sich?«
    »Das würde mich nicht wundern.«
    »Was denkst denn du, ich meine, wegen der Kondome?«
    »Wenn ein Mann Kondome dabei hat, will er sich sämtliche Optionen offen halten. So sehe ich das.«
    »Und wenn seine Frau schwanger ist?«
    »Dann ist er ein Arschloch.«
    »Und?« Ich stützte mich seitlich auf und stupste ihn mit dem Zeigefinger an die Wange. »Hast du welche?«
    Er nahm meine Hand und umschloss meine Finger. »Bitte nicht ins Gesicht!«
    »Tschuldigung. Also? Hast du welche?«
    »Du kannst ja mal in meinem Kulturbeutel rumwühlen.«
    »Aber Volker, ich käme nie auf die Idee!«
    »Misstrauen ist der Anfang vom Ende.«
    »Du meinst, sie hätte nicht nachschauen sollen?«
    »Die Kleine hängt in seiner Kabine rum, er ist auf der Brücke, sie langweilt sich, kommt auf blöde Gedanken, fängt an zu schnüffeln …«
    »Sie sagt, sie hätte nur was gesucht.«
    Jetzt richtete sich Volker auf: »Glaubst du das?«
    »Ich weiß nicht …«
    »Herzerl: Entweder ist Vertrauen da oder nicht. Schlaf gut, ich muss morgen früh raus.« Volker beugte sich zu mir herunter und gab mir einen zärtlichen Gute-Nacht-Kuss. Ich schloss die Augen und genoss seine weichen Lippen auf den meinen. Aber plötzlich schob er mir seine Zunge in den Mund, fordernd, fast aggressiv. Ich öffnete die Lippen, erwiderte seinen Kuss. Was sollte das denn werden? Ich meine, wir hatten doch gerade erst …
    Volker rollte sich auf mich, presste mit seinen Knien meine Beine auseinander, hielt meine Handgelenke fest und drang heftig in mich ein. Ich gab einen überraschten Laut von mir, und er legte mir die Hand auf den Mund wie immer, weil er nicht wollte, dass die Kinder etwas mitbekamen. Nach ein paar Stößen atmete er schnell, seine Halsschlagader pulsierte an meinen Lippen, ein Schweißtropfen perlte von seiner Stirn. Mein Herz klopfte an seiner Brust, seines raste wie verrückt, dann wurde es ruhiger.
    »Hallo?«, sagte ich nach einer Weile. »Volker? Bist du das?«
    »Grunz!«, sagte er. »Ich wollte auch mal ein Arschloch sein.«
    Dann schlief er ein.

10
    Der Sommer verging wie im Flug, und die Festspiele waren in vollem Gange. Das Landestheater hatte Ferien, sodass Lisa hauptsächlich bei uns war. Sie übte stundenlang im Wohnzimmer oder machte dort ihre Schwangerschaftsgymnastik. Ich hatte mit meinen Touristenführungen so viel um die Ohren, dass ich gar nicht mehr wusste, welcher Tag eigentlich war. Vol ker arbeitete ebenfalls rund um die Uhr; er hatte jetzt auch noch Urlaubsvertretungen für Kollegen zu machen und übernahm deren Hausbesuche – an manchen Tagen hatte er sechzig Patienten. Ich kümmerte mich zusätzlich um Oma Leonore, die sich vernachlässigt fühlte, und holte sie, sooft ich konnte, auf dem Rückweg ab, um sie zum Abendessen mit nach Hause zu nehmen. Dort setzte sie sich sofort an den Flügel und begann zu singen.
    »Oma, sing noch mal die Fette aus Dingsda!«, stachelte Emil

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