Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
Vom Netzwerk:
irgendwann bekommen, und wenn sie es dann tatsächlich bekommen, sind sie so geblendet von deinem Geist, dass deine Brust – oder vielmehr das Fehlen deiner Brust – gar keine Rolle mehr spielt.«
    Lydia spürte, wie ihre Wangen unter dem Puder vom Portwein und durch die Offenheit ihrer Tante zu glühen begannen. Sie versuchte, das Thema zu wechseln.
    »Was gibt es denn heute Abend zu essen?« Sie bemühte sich, so locker und beiläufig wie möglich zu klingen.
    Gladys machte ein Gesicht. »Na ja, es gibt Würstchen in Yorkshirepudding und danach gefüllte Äpfel oder Rosinendessert«, gab sie schnell zurück und nahm ihren Drink zur Hand, verärgert, dass Lydia sie unterbrochen hatte. »Also, wo war ich? Ja, beim Busen. Aber damit war ich fertig, oder? Das andere sind Beine. Lily, du hast sehr schöne Beine. In der Hinsicht kommst du nach mir. Und es gibt nichts, was Männern besser gefällt als ein schönes Fußgelenk.« Sie hob ihr rechtes Bein und betrachtete ihren Fuß selbstvergessen und bewundernd, während sie ihn in der Luft kreisen ließ.
    »Also kannst du es dir leisten, die Röcke viel kürzer zu tragen«, fuhr sie fort. »Nicht zu kurz. Gerade bis übers Knie, wie meine.« Damit stand sie auf und führte vor, was sie meinte.
    »Ja, ich weiß schon, was du meinst«, sagte Lydia schwach.
    Aber als Gladys sich wieder setzen wollte, bemerkte sie etwas vor dem Fenster. Sie drückte sofort die Zigarette aus.
    »O mein Gott, was für ein komischer kleiner Mann drückt sich da an meinem Tor herum.« Sie spähte noch aufmerksamer hinaus. »Hoffentlich hat er nicht vor hereinzukommen.«
    Lydia konnte schemenhaft eine Gestalt am Tor wahrnehmen und fragte sich, warum Gladys sich so aufregte. Die fischte schnell eine Puder dose aus ihrer Handtasche und kontrollierte ihr Gesicht. Jeder Mann, auch wenn er heruntergekommen oder von niedriger Herkunft war, verdiente es, sie in ihrem besten Zustand zu sehen.
    »O mein Gott, er kommt hierher!« Sie ließ die Puderdose zuschnappen und ging mit schnellen Schritten zur Tür. »Entschuldige mich, meine Liebe, ich muss nur eben diesen Bauern loswerden.«
    Und war fort.
    Lydia war perplex. Durch das Fenster sah sie einen Mann unbestimmbaren Alters den Gang hochschlurfen.
    Er steckte in einem deutlich zu kurzen Anzug. Seine gelben Schuhe erinnerten an Haremslatschen und passten nicht zu seinem übrigen Aufzug. Seine Haare – oder das, was davon übrig war – wurden von der steifen Meeresbrise zerzaust und er hielt eine Hand auf dem Kopf, um zu retten, was zu retten war. In der anderen Hand hielt er eine Einkaufstüte, die nach Lydias Vermutungen seine Toilettenutensilien enthielt. Ein Fremder, dachte sie, auf der Suche nach einem Bett und einem Dach über dem Kopf. Sie hatte Mitleid mit dem armen Mann, auch deswegen, was er jetzt sicherlich gleich zu erdulden hatte.
    Gladys hatte sich bereits in der Lobby hinter dem Rezeptionstresen aus Marmor in Position gebracht. Einen Köcher scharfer Ausreden hielt sie bereit, die sie in schneller Folge auf den Eindringling in ihr Paradies abschießen würde. Sie sah Jamie scharf an, als er den weiten Weg über den großen Orientteppich mit den osmanischen Farben von ineinander verwobenen Rot- und Goldtönen zurücklegte. Ganz offensichtlich überwältigte ihn die Pracht ihres Hauses, denn er wäre um ein Haar in einen Glastisch gerannt.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?« Die Eigentümerin hatte den ersten Pfeil schussbereit in den Bogen gespannt.
    »Guten Tag, Mrs Milkman, nehme ich an.« Jamie stellte die Plastiktüte auf der schimmernden Oberfläche ab. Gladys zuckte zusammen und schloss kurz die Augen.
    »Mill-man. Mill-man. Und wer sind Sie?« Sie starrte ihn an und entdeckte in Jamies Brusttasche etwas, was sehr wie Heu aussah. Ganz offen sichtlich ein Farmer, dachte sie, und einer, der daran glaubte, seine ganze verdammte Wiese mitbringen zu können. Sie blähte die Nasenflügel und versuchte, Dung und andere unerfreuliche Gerüche wahrzunehmen. Zu ihrer Überraschung konnte sie keine bemerken.
    »James Kevin Barry Michael McCloone.« Er spreizte die Hände auf dem Tresen und sah bewundernd zum Stuck der Decke hoch. »Gott, was für ein unglaublich großartiges Haus!«
    »Vielen Dank, Mr McCloone. Haben Sie reserviert?«
    Gladys hob eine Augenbraue, als ihr erster Pfeil sein Ziel erreichte.
    »Entschuldigung. Was für ein Ding?« Jamie sah verwirrt aus.
    »Haben Sie gebucht, Mr McCloone?« Sie lehnte sich vor und tat, als prüfe

Weitere Kostenlose Bücher