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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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Geräusche von Tieren, die gefüttert werden wollten. Draußen vor dem Fenster konnte er die träge Brandung und die scharfen Schreie der Möwen hören.
    Er stützte sich auf die Ellenbogen und plötzlich fiel ihm wieder ein, wo er war. Dr. Brewster hatte recht gehabt. Das Ocean Spray war wirklich ein wunderbares Haus. Jamie wusste kaum, was er sich zuerst ansehen sollte. Seine Augen schweiften im Zimmer umher: von der Frisierkommode aus Ahorn und dem Spiegel mit dem Muschelrahmen über den Einbauschrank und das Zypergras in der Ecke zu den mit Fransen besetzten Stehlampen, den Überwürfen aus Musselin, dem luxuriösen Teppich und dem krönenden Abschluss des Ganzen, den er jetzt ehrfurchtsvoll betrachtete – einem Kronleuchter aus Kristallglas.
    Er strich über die weißen Laken und die Tagesdecke aus Satin. Er hatte noch nie in einem solchen Bett geschlafen und fragte sich, wie man die Laken so weiß waschen konnte. Sein Hemd, das jetzt auf dem Lehnstuhl am Bett hing, war längst nicht so weiß, eher rauchgelb im Vergleich.
    Die Porzellanuhr auf dem Schrank zeigte acht Uhr fünfzehn an, und auch so eine Uhr hatte Jamie noch nie gesehen. Er untersuchte sie genau. Auf dem Rücken stand ein Etikett:
Aynsley. Feines Porzellan. Handgemachtin England.
Er stellte sie überaus vorsichtig wieder zurück, denn er hatte Angst, sie zu zerbrechen, und in dem Fall müsste er sie sicherlich bezahlen. Und da er den Preis eines Mutterschafes für das Privileg, im Ocean Spray absteigen zu dürfen, zahlte, konnte er sich keine unnötigen Ausgaben mehr leisten.
    Er entschloss sich, aufzustehen und nach dem Frühstück zu sehen. Der sonnendurchflutete Raum sagte ihm, dass der Tag zu schön war, als dass ein Mann im Bett herumliegen sollte, selbst wenn er in den Ferien war. Das wäre doch eine Sünde.
    Jamie zog sich sorgfältig vor dem Drehspiegel von Gladys Millman an. Wie üblich kümmerte er sich zuletzt um die Haare, die er mit geübter Hand über den Scheitel strich und mit einer kräftigen Portion Pomade an Ort und Stelle hielt. Als er die Dose wieder in die Tüte legte, fiel ihm die Flasche Blue Adonis Aftershave auf. Vielleicht ein winziger Tropfen davon, dachte Jamie. An so einem Tag, warum denn nicht.
    Er drehte den Verschluss auf. Es roch etwas stark, aber Jamie, der kein Kenner von Toilettenartikeln für Männer war, wusste nicht, dass ein Duft, den man schlecht verschlossen dem direkten Sonnenlicht aussetzt, innerhalb weniger Wochen umkippt. Jamie goss sich ordentlich was in die Handfläche und klatschte sich das Aftershave ins Gesicht.
    Die meisten regulären Gäste hatten sich um halb neun bereits im geräumigen Esszimmer mit der hohen Decke zum Frühstück eingefunden. Alle außer Mr McCloone, bemerkte Gladys. Sie ließ den Jacquardärmel wieder über die zierliche Armbanduhr auf ihrem rechten Handgelenk fallen – aus irgendeinem Grund funktionierten Uhren auf dem linken Handgelenk nicht – und blickte prüfend auf ihre Gäste.
    Da war Mr Henderson, der Anwalt, und seine Gattin Judith (äußerst liebenswürdige Menschen). Die Bradley-Carrs (beide Ärzte) und ihre Kinder, Minnie und Daisy (sehr achtbare Leute mit solch höflichen kleinen Mädchen). Mr Cosgrove Murphy (ein pensionierter Richter) und seine Frau Hyacinth (oh, ein großartiges Paar!). Elizabeth und Lydia.(Warum verweigerte Elizabeth die extra für sie zubereiteten Zwiebelund Salbei-würstchen? Was für eine teure Verschwendung! Sie würde sie nicht noch einmal servieren.)
    Doch außer Mr McCloone fehlte noch jemand. Sie ging zum Empfangstresen und sah im Buch nach. Ja, Doris Crink und ihre Schwester Mildred – auch aus Tailorstown, genau wie der Farmer. Sie wollte den lieben Humphrey bei Gelegenheit bitten, dass er ihr seine respektableren Patienten schicken sollte; die Crinks mit ihren Polyesterröcken und Plastikhandtaschen und Mr McCloone in diesem Anzug senkten den Umgangston doch beträchtlich. Sie waren ganz einfach schlecht fürs Geschäft. Gewisse Mindestanforderungen mussten eingehalten werden.
    Zwei Tische hatte sie für die unerwünschten Gäste an den entfernteren Ecken des Zimmers vorgemerkt. Mr McCloones Tisch stand unmittelbar neben den ständig auf- und zuschwingenden Küchentüren. Die beiden Miss Crinks wurden in die Wölbung des Erkerfensters gesetzt, vor den Blicken der anderen Gäste verborgen – von dem, was Gladys als ihren »Jardinière« aus hohem Pampasgras bezeichnete.
    Gladys hatte Sinéad angewiesen, die cremigen

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