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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina McKenna
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Jamie hatte sie damals mit der Absicht gekauft, sie schwarz zu färben, aber wie so vieles andere hatte er auch dieses Vorhaben aufgeschoben. Frei nach dem Motto: »Ach, damit beschäftige ich mich jetzt nicht, die Zeit kommt noch früh genug«. Er seufzte über diese kleine Nachlässigkeit, aber er hatte weder die Zeit noch die Schuhfarbe, um sich jetzt damit auseinanderzusetzen. Nun musste es eben so gehen. Er stellte sie aufs Bett neben die Socken und den Anzug.
    Seine Hemden hingen auf drei Bügeln an der Schranktür. Das weiße sah ordentlich genug aus; und da er seit drei Wochen nicht mehr zur Messe gegangen war, war es seit der letzten Wäsche durch Rose nicht getragen worden.
    Jamie sah auf seine Uhr. Zeit, sich anzuziehen. Es dauerte länger, als er gedacht hatte, er musste nach einem Gürtel und einer Krawatte suchen, zwei Dinge, die er im alltäglichen Einerlei selten benötigte.
    Als er fertig war, bemerkte er, dass er schon alles am Leib trug, was er mitnehmen wollte. Warum sollte er also eine Tasche packen? Na gut, Kamm, Pomade, Rasierzeug und Ersatzsocken sollte er schon mitnehmen, vielleicht auch Zahnbürste und Zahnpasta – die er nur sonntagmorgens benutzte und die in einem angestoßenen Becher auf dem Küchen waschbecken bereitstanden.
    Er wanderte im Haus umher und überlegte, ob er sonst noch etwas mitnehmen musste, da fiel sein Blick auf die beiden Bücher auf dem Tisch. Von den beiden sah
Wanderer in der Wüste
weniger ramponiert aus. Jedenfalls war der Rücken noch ganz, selbst wenn das Buch schon Eselsohren hatte.
    Eine halbvolle Flasche Blue Adonis Aftershave fiel ihm auf dem Fenster sims auf. Sie hatte Mick gehört und stand dort bald seit einem Jahr. Jamie hatte sie eigentlich schon wegwerfen wollen, dann aber gedacht, sie könnte ihm irgendwann noch einmal gute Dienste leisten. Jetzt war er froh darüber, denn die Zeit war gekommen. Die Spinnweben auf der Flasche wischte er mit dem Innenfutter seines Jacketts weg.
    Er warf diese Sachen in eine Einkaufstüte und sah sich im kaputten Spiegel der Kommode prüfend an. Er konnte sich nur von der Taille aufwärts darin sehen, aber das war vielleicht auch besser so. Angestrengt musterte er sein Spiegelbild, denn er wusste, dass irgendetwas noch nicht stimmte, bis ihm plötzlich dämmerte, dass er noch immer seine Kappe trug. Er hatte sich schon ein Sandy-Brown-Toupet aus Roses Exchange & Mart bestellt, aber leider war es nicht mehr rechtzeitig für den Kurzurlaub angekommen.
    Man konnte doch schlecht eine alte Kappe zu einem guten Anzug tragen, sagte er sich. Jamie seufzte und klebte sich geübt die Haare mit der Pomade und dem Kamm an, steckte die Kappe in die Einkaufstüte und befand, dass er nun bereit sei. Keine Minute später hörte er, wie sich Paddys Morris Minor keuchend den Hügel hocharbeitete.
    Jamie zeigte Paddy, welche Arbeiten es zu tun gab: Die Ayrshires mussten gefüttert und gemolken werden, das Schwein und die Hühner brauchten ihr Futter und die Eier mussten aufgesammelt werden. Shep bekam die Abfälle. Paddy kannte das alles, er war ja selbst Farmer, und so nickte er geduldig und versicherte Jamie, dass er sich um alles kümmern würde. Dann überreichte er ihm eine verkrumpelte Tüte.
    »Rose hat dir ein paar ... ein paar Rosinenkekse für den Bus mitgegeben.«
    »Ach, das ist aber lieb von ihr, Paddy! Bitte sag ihr vielen Dank von mir!«
    Jamie warf einen kurzen Blick in die Tüte. Tränen stiegen ihm in die Augen, wenn er an Rose dachte und an all die Hilfe, die sie ihm gegeben hatte. Er schätzte die Bedeutung dieser von Herzen kommenden Geste; und auch wenn es nur eine winzige Tüte mit Keksen war, wie er sich sagte, berührte es ihn sehr. Jemand dachte an ihn, jemand sorgte sich um ihn. Diese kleine freundliche Aufmerksamkeit bedeutete ihm so viel, weil in seiner frühen Kindheit niemand je freundlich zu ihm gewesen war.
    »Die Zeit läuft, Jamie«, platzte Paddy in seine Gedanken. »Ich denke, wir sollten vielleicht ... vielleicht langsam ...«
    »Losfahren?«
    »Ja, genau, losfahren ... vielleicht sollten wir langsam losfahren.«
    »Ja, warum auch nicht.« Jamie beugte sich herab, um Shep zu streicheln, der seinen Herrn fragend ansah. »Sei brav, guter Hund.«
    »Ach, wir können den kleinen Shep doch mitnehmen.« Paddy kratzte sich am Ohr und rieb sich am Kinn. Er spürte, wie traurig Jamie auf einmal war. »Er kommt ja auch nicht ... kommt ja auch nicht ...«
    »So oft raus?«
    »Ja, ja, genau, so oft raus.«
    So

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