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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Diesem Haufen unmöglicher Leute anzugehören. Vulgäre Menschen, darunter viele Schwule. Die von der schrecklichen Sorte, die vor lauter Angst, entlarvt zu werden, sich markig geben und gegen alles Schwule wettern. Ich nenne sie Die Röhms .«
    Reisiger fand, daß Lichfield ein bißchen viel zu diesem Thema zu sagen hatte. Aber er verbiß sich eine Bemerkung, konzentrierte sich wieder auf die Schar der Gummi-Enten. Es hatte etwas Trauriges, sich vorzustellen, daß sie demnächst die Ostküste erreichen, möglicherweise stranden würden, um dann untersucht und seziert zu werden, Opfer einer schamlosen Wissenschaft, die dem Wunder mit unlauteren Mitteln zu Leibe rückt, um danach dümmer dazustehen als zuvor. Im besten Fall würden einige Exemplare doch noch in den Badewannen privater Haushalte landen. Aber wäre das wirklich ein Glück zu nennen? Nach einem abenteuerlichen, in der großen Gemeinschaft verbrachten Leben auf den Meeren und im Eis in die Hände eines Kindes oder badenden Fetischisten zu geraten, um dann untergetaucht zu werden. Ganz nach dem Motto: Wollen wir doch mal sehen.
    Noch lange blickten die Passagiere den Enten nach, wie sie wieder zu einem weißen Flecken verschmolzen und hinter der Wölbung der Erde verschwanden. Wortlos trat man auseinander. Erst nach und nach sollte sich das Gefühl legen, Zeuge eines geheimnisvollen, übernatürlichen Ereignisses geworden zu sein, Gott zugeschaut zu haben, als dieser gerade mal nicht würfelte. Beim Frühstück dann war die Sache nur mehr eine amüsante Geschichte, eine skurrile Angelegenheit, von der die Dabeigewesenen den Zuspätgekommenen berichteten.
    Reisiger aber sprach kein Wort. Er wollte sich die Sache erhalten, wie sie gewesen war. Darüber zu reden hätte alles verdorben. Auch Lichfield ließ sich bloß zu einer kleinen, sachlichen Darstellung hinreißen. Er war verhalten wie selten. Möglicherweise aus Respekt vor Reisigers Schweigen. Es waren Leute vom Nebentisch, die herüberschrieen … also, sie schrieen nicht, aber erzählten recht laut, was geschehen war, in einer Art, als hätten sie einen Elefanten beim Fußballspielen beobachtet. Widerlich!
    Nach dem Frühstück nahmen Mrs. Lichfield, Babett und das andere Ehepaar an einer Führung teil, zu welcher der Kapitän eingeladen hatte, ein Schönheitschirurg von Mensch, der aussah, als hätte er an sich selbst herumgewerkt und den einen oder anderen kleinen Schnitzer begangen. Und zwar mit voller Absicht.
    Lichfield und Reisiger gingen zurück in die Bar, um fortzusetzen, was sie begonnen hatten. Der Barkeeper empfing sie ohne große Worte, aber mit einer Geste, mit der man langjährige Stammgäste willkommen heißt.
    »Hätten Sie Lust«, fragte Lichfield Reisiger, »mich heute nachmittag auf einen kleinen Ausflug zu begleiten?«
    »Was für einen Ausflug?«
    »Mit dem Helikopter, den sie hier an Bord haben. Ich bin zwar seit einem Tag und einer Nacht im Ruhestand, aber man kann seine Vergangenheit natürlich nicht so einfach abstreifen. Es ist ein purer Zufall, aber unser Schiff wird sich gegen zwei Uhr nicht unweit einer Bohrinsel befinden, die ich vor elf Jahren errichten ließ. Ja genau, als diese Entchen über Bord gingen. Eine gigantische Plattform, die größte zur damaligen Zeit. Was nichts daran ändert, daß ich es nie geschafft habe, ihr auch nur einen einzigen Besuch abzustatten. Unglaublich. Immer kam etwas dazwischen. Begleiten Sie mich?«
     »Auf die Bohrinsel?«
    »Ich habe den Kapitän gebeten, mich rüberbringen zu lassen, wenn es soweit ist. Ein Stündchen, vielleicht zwei. Er hat gemeint, das gehe in Ordnung. Der Hubschrauber verfüge über das Potential, das Schiff ohne Problem einzuholen. Auch wenn ich sicher bin, daß das weder den Gepflogenheiten noch den Sicherheitsvorschriften entspricht. Aber Sie können sich vorstellen, daß der Kapitän einen Teufel tun wird, mir einen Wunsch abzuschlagen. Wenn ich schon an seinem Tisch nicht Platz zu nehmen wünsche, will er mir wohl zeigen, daß es ihm ein leichtes ist, einem alten Trottel seinen Spaß zu gönnen. Unser Kapitän scheint mir ein Mann zu sein, der lieber einen Flottenverband kommandieren würde, als sich mit ein paar abgetakelten Millionärswitwen über die Qualität kanadischer Opernhäuser zu unterhalten. Ich denke, er ist der Typ, der gerne einen Eisberg rammen würde, so eine Art Moby Dick der zivilen Schiffahrt. Aber Eisberge rammen geht natürlich nicht mehr. Mir einen Flug spendieren ist was

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