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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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anderes.«
    »Das sind dann die Rettungshubschrauber, die im Ernstfall fehlen, weil sich irgendein Minister nach Acapulco bringen läßt.«
    »Hören Sie auf mit dem Schwarzmalen. Begleiten Sie mich, wenn Sie ein Freund sind.«
    »Ich sitze im Rollstuhl, haben Sie das vergessen?«
    »Wer an der Theke hockt, kann auch in einem Hubschrauber sitzen.«
    »Das ist weit hergeholt, finde ich. Aber gut, ich komme mit. Meine erste Bohrinsel. Warum nicht?«
    »Was willst du auf einer Bohrinsel?« fragte Babett ihren Mann beim Mittagessen, das man zu zweit in einer Art Bistro einnahm und das für Reisiger aus seinem Gin und einem Salat bestand, den er wie ein Hungerkünstler von einer Ecke zur anderen schob.
    »Ich weiß nicht. Aber ich stelle es mir spannend vor.«
    »Ein Haufen Stahl und Beton mitten im Meer«, kommentierte Babett, nicht, weil sie etwas gegen Technik hatte. Es störte sie, daß ihr Mann sie verließ, auch wenn bloß für eine Stunde. Im Grunde waren sie beide während der gesamten Reise zusammengeblieben. Leos Abstecher in kleine Kneipen oder auf die Dächer der Hotels, um sein Teleskop aufzustellen, waren da nicht ins Gewicht gefallen. Auch wäre Babett jederzeit zur Stelle gewesen, um Leo zu helfen. Eine Bohrinsel, ein Hubschrauberflug, das war etwas anderes. Gerne hätte sie ihren Mann begleitet. Doch offensichtlich wollte Lichfield die Frauen nicht dabei haben. Oder dies wäre allein am Organisatorischen gescheitert.
    »Du solltest nicht fliegen, Leo. Ich sage jetzt nicht, daß du ein Krüppel bist, der in einem Hubschrauber und auf einer Bohrinsel nichts verloren hat. Aber muß das wirklich sein? Was will Lichfield da?«
    »Die Bohrinsel gehört ihm. Oder hat ihm mal gehört. Er war nie dort. Und jetzt ist er eben sentimental geworden und will sich sein großes Baby ansehen.«
    »Er sollte bei seiner Frau bleiben. Und du solltest auch bei deiner Frau bleiben.«
    »Mein Gott, Babett, wir gehen nicht auf Walfang. Wir fliegen rüber, sagen guten Tag, kriegen wahrscheinlich einen Helm aufgesetzt, sind ein bißchen überwältigt und kehren auch schon wieder zurück. Pures Sightseeing.«
    »Trotzdem.«
    Es ärgerte Leo diese mütterliche Anhänglichkeit. Dennoch legte er jetzt seine Hand auf die seiner Frau, wie man ein gutes Buch auf ein noch viel besseres legt, und versprach ihr, auf sich aufzupassen.
    Sie sah ihn an, als halte sie das für unmöglich.
    »Also gut«, meinte Leo, »dann wird eben Lichfield auf mich aufpassen. Er scheint mir ein gewiefter Mensch zu sein. Einer, der nicht untergeht. Aus der Familie der Plastikenten.«
    »Du bist keine Ente«, sagte Babett. »Vergiß nicht, wie du selbst einmal behauptet hast, du seist ein Spatz.«
    »Die sind auch robust«, bemerkte Leo und rückte seinen Salat endgültig in weite Ferne.
    Babett lächelte müde. In ihren Augen war ein Glanz von Bitterkeit, als stehe sie vor einem Grab.
    Um Viertel vor drei klingelte das Telefon in Reisigers Suite. Babett stürmte geradezu auf den Hörer zu, als könnte sie jetzt noch irgend etwas abwenden. Nun, sie hätte schon das Kabel herausreißen müssen. Tat sie aber nicht. Sie hob ab. Es war Lichfield.
    »Hat Ihr Mann noch Lust? Ich wäre jetzt soweit.«
    »Ja, er hat noch Lust«, sagte Babett, wie man sagt: Friß Scheiße.
    Kurz darauf betrat man das Hubschrauberdeck, kleiner, als sich Leo das gedacht hatte. Grün wie ein Rasen, mit einem orangen Punkt in der Mitte und einer orangen Umrandung. Leo fühlte sich unwohl beim dem Gedanken, daß man bei der Rückkehr auf dieser Miniatur eines Golfplatzes würde landen müssen. Nun gut, es war eindeutig zu spät für einen Rückzieher. Lichfield empfing ihn mit dem strahlenden Lächeln eines Wiedergeborenen. Er trug einen weißen Leinenanzug, ein weißes Hemd, weiße Schuhe und einen weißen Hut. Er stand neben dem Helikopter und sah aus wie ein Fernsehprediger beim Antritt zu seiner Welttournee.
    »Ein guter Tag«, sagte Lichfield. Das Wetter konnte er nicht meinen.
    Zwei Matrosen hievten Reisiger mitsamt seinem Stuhl in den engen Passagierbereich, wo man so knapp hinter dem Piloten saß, als fahre man mit einem Taxi. Augenblicklich wurde der Flugkörper gestartet. Leo fühlte sich wie unter einem Karussell, über das man die Kontrolle verloren hatte. Wie hieß dieser Hitchcock-Film doch gleich, wo am Ende das Karussell …? Babett hätte es ihm natürlich sagen können. Aber Babett war weit weg. Er sah sie – als man nun abhob und eine Ehrenrunde um die Hyperion zog –

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