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Der Umfang der Hoelle

Der Umfang der Hoelle

Titel: Der Umfang der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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aus.«
    »Warum das denn? Ist die Suche nach Öl denn so schrecklich männlich?«
    »Nicht männlich«, sagte Lichfield, »sondern konventionell. Es prägt die Persönlichkeit in einer sehr eingleisigen Weise, die nun mal jegliche Entgleisung ausschließt. Ich rede ja nicht über den Wert oder Unwert dieser Entgleisungen.«
    »Das ist mir zu hoch«, meinte Babett.
    Das andere Ehepaar sprach wenig, schon gar nicht zu diesem Thema. Obwohl sie nicht etwa peinlich berührt schienen. Sie waren einfach gute Zuhörer. Das soll es auch geben.
    Als man sich kurz vor Mitternacht trennte, fühlte man sich aller unterschiedlicher Meinungen zum Trotz freundschaftlich verbunden. Was übrigens auch für Mrs. Lichfield galt, die es zwar nicht gern sah, wenn ihr Mann seine Filmtheorien zum besten gab und sich zum Genuß von Gin verführen ließ, aber andererseits hatte sie seine Euphorie bemerkt und empfand Freude darüber. Die Euphorie angesichts von Menschen, die sich nicht aus dem Staub machten, wenn sie wußten, wer ihr Mann war.
    Der nächste Morgen begann mit Enten. Nicht mit Entenfleisch, was kaum zu einem guten Frühstück gepaßt hätte, sondern mit Plastikenten.
    Leo war nach einer durchwachsenen Nacht bereits rechtzeitig in die Bar gerollt, die lobenswerterweise noch vor den Frühstücksräumen ihre Pforten geöffnet hatte. Der kräftige Barkeeper hob ihn ohne große Umstände auf einen der Hocker. Reisiger liebte diese Plätze direkt am Tresen, auch wenn er dabei eine Haltung einnehmen mußte, als sitze er auf einer Kinderschaukel.
    Keine zehn Minuten danach erschien Lichfield, glücklich, seinem neuen Freund zu begegnen.
    »Es mag ein dummes Klischee sein«, sagte der Amerikaner, »aber es trinkt sich besser, wenn keine Frauen dabei sind. Gleich, wie diese Frauen denken. Denn mit einem Glas in der Hand – Sie verzeihen meine Offenheit – komme ich mir vor, als würde ich onanieren. Wobei gegen die Onanie, so modern bin ich schon, ja wirklich nichts zu sagen ist. Vom medizinischen Standpunkt so wenig wie vom psychologischen. Das ist erwiesen, habe ich gelesen. Aber unter Männern onaniert es sich natürlich um einiges leichter, als wenn Damen anwesend sind. – Ich schockiere Sie?«
    »Nicht im geringsten. Ich verstehe, was Sie meinen, auch wenn ich es anders ausdrücken würde. Ich darf Sie doch einladen, Mr. Lichfield? Pur?«
    »Gerne.«
    Reisiger bestellte. Der Barkeeper – gläsern, gelblich und dicklich wie ein mächtiges Schauobjekt des eigenen Angebots, eine Flasche seiner selbst – servierte Lichfield seinen Drink und füllte Reisigers mitgebrachtes Glas nach.
    »Eine prächtige Frau, Ihre Frau«, erklärte Lichfield, nachdem man sich zugeprostet und einen ruhigen Schluck getan hatte. »Sie wissen, was Sie an Ihr haben, nicht wahr?«
    »Nun ja …«
    Es war der Lautsprecher, der Reisiger zu Hilfe kam. Eine Stimme, die wohl aus dem Französischen stammte, erklärte, daß jene Gäste, die Lust auf einen ungewöhnlichen Anblick hätten, sich bitte an Deck begeben wollten. Backbord nähere sich eine schwimmende Ansammlung einiger tausend Plastikenten. Das sei kein Witz. Wie man habe eruieren können, handle es sich dabei um den Teil einer vor elf Jahren zwischen China und Amerika über Bord gegangenen Containerladung von Badeutensilien. Die Enten hätten seither den Weg über drei Ozeane genommen, wären für Jahre im Eis der Bering-Straße festgesessen, um sodann Island zu erreichen und schließlich in den Nordatlantik zu gelangen. Exemplare seien in Europa und Hawaii gestrandet, während der nun gesichtete große Schwarm auf die amerikanische Ostküste zutreibe. Die Tiere seien entsprechend der Umstände stark ausgebleicht, aber nichtsdestoweniger im Vollbesitz ihrer Fähigkeit, sich über Wasser zu halten. Man könne dieses … die Stimme stockte … dieses Naturschauspiel mit freiem Auge betrachten, selbstverständlich stünden aber auch Ferngläser zur Verfügung, die auf dem Promenadendeck zur Austeilung gelangen würden.
    »Sollen wir das glauben?« fragte Lichfield.
    »Hört sich phantastisch an«, meinte Reisiger. »Jedenfalls können wir nicht hier sitzen bleiben, wenn da draußen solch mutige, kleine Tierchen vorbeischwimmen.«
    Reisiger gab dem Barkeeper ein Zeichen, welcher ihn mit derselben Leichtigkeit zurück in seinen Rollstuhl setzte. Dieser Mann wäre wohl eine ideale Ergänzung zu Babett gewesen: ein sensibler Bär, der Drinks zubereitete.
    »Ich darf Sie führen?« fragte

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