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Der Umweg nach Santiago

Der Umweg nach Santiago

Titel: Der Umweg nach Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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aber Beweise in die Hand zu bekommen, ist schwer.
    Inzwischen hat der Eiferer schon wieder neue Memoriales geschrieben (er ist verrückt, aber er kann gut schreiben, das gibt es öfter), und dieses Mal greift er höher und beschuldigt sogar die Jesuiten und schickt sein Memorial an den Kardinalfürst, der sich gegen ihn wendet. Fray Alonso wird gefangengenommen und muß sich vor dem Allgemeinen Rat der Inquisition wegen seiner Anschuldigung verantworten, die Universelle Compagnie (die Jesuiten) habe »eine pestilenziöse und allerschädlichste Ketzerei in die Kirche gebracht, um diese zugrundezurichten, sie habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und beherbergeZauberer, verrate Beichtgeheimnisse und gehe allerunehrlichst vor ...« Er wird zur großen Wut der Jesuiten nach Sevilla, »wo das Land mit Sünden besser ausgestattet ist«, verbannt, und selbst ihr Druck auf Philipp II . vermag nichts auszurichten: »Weiter als die Inquisition kann ich nicht gehen.«
    Aber Alonso ist ein Rückfalltäter, auch in Sevilla sieht er überall alumbrados , Geilheit, Zauberei, Satanshufe, und er besteigt, niemand fürchtend, doch wieder die Kanzel, und beim unvermeidlich folgenden Prozeß verteidigt er sich mit einer Anklageschrift, mit Worten wie Peitschenhiebe. Wieder bleibt er auf freiem Fuß, wird aber in einen entlegenen Winkel verbannt mit dem Befehl , die alumbrados zu vergessen. Von diesem Augenblick an knirschte es so heftig in seinem Gehirn, daß er nicht lange danach starb, ein spanischer Lebenslauf.
    Spanisch? Wirklich? Oder ist das ein Klischee, ein im Laufe von Jahrhunderten entstandenes Vorurteil, das in der Geschichte oder der Literatur Bestätigung sucht? Aber ist das Credo »Dann lieber in die Luft gesprengt« 1 oder, in umgekehrter Richtung, die Haltung des sprichwörtlich gewordenen Jan van Schaffelaar 2 nicht genauso spanisch? Zwischen dem spanischen und dem niederländischen Charakter besteht eine gewisse Ähnlichkeit. Die Landschaft der Mancha mit ihren Windmühlen ist ebenso gnadenlos in Himmel und Erde aufgeteilt wie die niederländische Polderlandschaft. Es ist eine absolute Aufteilung, ohne Verlockungen, Täler, romantische Winkel. In weiten Teilen der spanischen Meseta kann man sich genausowenig verstecken wie in den Niederlanden, man ist sichtbar zwischen Himmel und Erde, zeichnet sich ab, und manchmal kam mir schon der Gedanke, die absolutistischen Züge im niederländischen Calvinismus oder im spanischen Katholizismus müßten damit zusammenhängen. Deshalb waren wir auch per fekte Gegner während des Achtzigjährigen Krieges.
    Aber bei uns würde sich nie, wie im Spanischen Bürgerkrieg geschehen, ein Regiment »mit dem Tod verloben«, und unsere Literatur hat nie jemanden hervorgebracht, der gegen Windmühlenkämpft. Die spanische Variante des Absoluten hat irreale Seiten, die wir uns selbst nicht so leicht zugestehen oder, besser gesagt, die uns nicht in den Sinn kommen. Der spanische Jan van Schaffelaar ist ein Träumer, er springt nicht, um zu springen, er springt, um zu fliegen, nicht von der Kirche in Barneveld, sondern vom Turm der Kathedrale von Plasencia, nicht weit von dort, wo ich gerade bin. Sein Name war Maestro Rodrigo. In diesem Turm war er eine Zeitlang eingesperrt, der spanische Dädalus. Ein wahrer Dädalus, denn er war Bildhauer wie der erste. Angeheuert, um die sillería , das Chorgestühl der Kathedrale, zu schnitzen, und nicht rechtzeitig fertig mit seinem Auftrag. Eine andere Version lautet, daß das Domkapitel mit den geilen Darstellungen nicht einverstanden war, mit denen Maestro Rodrigo die Miserikordien, die kleinen Stützhilfen an den Klappsitzen des Chorgestühls, verziert hatte, an denen man »neben einer idyllischen Szene aus dem Leben Jesu oder einer biblischen Begebenheit oder neben dem idealisierten Bildnis eines Heiligen oder eines Königs plötzlich auf die Figur eines Bischofs stoßen konnte, der von einem Teufel mitgenommen wird, oder eine Frau, die auf einem Mönch reitet und dabei gleichzeitig dessen blanken Hintern peitscht«. Es ging natürlich nicht an, daß die Domherren jedesmal, wenn sie den Sitz ihres Chorstuhls hochklappten, eine frivole Plastik vor sich sahen. Das Kapitel sperrt den Holzschnitzer ein, und von diesem Augenblick an sinnt der Dädalus von Plasencia auf Flucht. Dem Priester Juan Lis de la Gerda zufolge (im sechsten Buch seiner Aeneide , 1642) flog er einmal um die ganze Stadt herum, bevor er abstürzte.
    D. Antonio Ponz ist im sechsten

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