Der Umweg
ihren flachen Anhänger. In Dickson’s Garden Centre sah man keine Studenten. Ältere Frauen, auch Männer im Rentenalter mit fröhlichen Enkeln, vollgekritzelte Zettel in den Händen, sie überließen nichts dem Zufall. Leise klassische Musik begleitete die Kunden durch die Gänge, Springbrünnchen und Brunnenkugeln plätscherten ebenso beruhigend vor sich hin. Sie blieb länger als nötig, bestellte eine Tasse Kaffee in der coffee corner , schaute sich noch einmal bei den Rosen um und kaufte drei kleine blühende Zimmerpflanzen, wie sie vor dreißig Jahren bei ihren Großeltern auf der Fensterbank gestanden hatten. Außerdem nahm sie eine bessere Rosenschere mit; die aus dem Eisenwarenladen schnitt jetzt schon schlecht. Ein schlaksiger Junge mit roten Locken half ihr, die Schubkarre auf den Anhänger zu heben. Als sie ins Auto steigen wollte, gab er ihr die Hand. » Thank you «, mußte sie sagen. »Sehr freundlich von dir.« Der Junge erwiderte nichts, lächelte breit und schlug die Autotür zu. Im Außenspiegel sah sie, daß er dem Wagen aufmerksam nachblickte.
Der neue Garten mußte an diesem Nachmittag warten. Mit der Schubkarre brachte sie den Maschendraht zu den drei kleinen Teichen. Die sechs Gänse beobachteten sie; sobald sie durch das Tor ihre Weide betrat, rannten sie weg. Als ob sie etwas von mir erwarten, dachte sie. Aber was? Mit einem Fuß – dem verletzten, versuchsweise – drückte sie an mehreren Stellen gegen das zusammengesackte Häuschen. Nachdem sie ein paar Bretter weggezogen hatte, stand das mit Teerpappe gedeckte Dach auf der Erde, von vorn sah es wie ein Dreieck aus. Es bot mehr als genug Platz für die Gänse. Sie rollte den Maschendraht aus, wobei ihr einfiel, daß sie noch etwas zum Zerschneiden brauchte. Auch diesmal fand sie im alten Schweinestall geeignetes Werkzeug; mit einem großen Saitenschneider, einer Säge und einem Röllchen dünnem Eisendraht kehrte sie zurück. Zuerst schloß sie die Rückseite des Dreiecks, nagelte den Maschendraht zusammen mit noch nicht vermorschten Brettern auf die Ränder. Genau hinsehen und nachdenken, dachte sie. Dann könnte ich sogar eine Schrankwand zimmern. Die Gänse schauten ihr leise kollernd zu, die schwarzen Schafe waren näher gekommen, die meisten standen in einer Reihe am Zaun. Sie holte die Zigaretten aus der Jackentasche und zündete sich eine an. Ein großer Vogel, braunrot, segelte zu dem sumpfigen Wäldchen hinunter und landete auf dem Ast einer Eiche, er blickte in ihre Richtung. » Is it you? « rief sie, als könne ein hiesiger Vogel sie nicht verstehen, wenn sie Niederländisch sprach. Der Vogel starrte sie unbewegt an. Sie warf die halb gerauchte Zigarette in einen der Teiche.
An der Vorderseite ging sie anders vor. Die Spitze des Dreiecks vernagelte sie mit Brettern, die sie erst zurechtsägte. Sie ließ breite Zwischenräume, es gab nicht mehr genug stabiles Holz. Der Maschendraht war einen Meter zwanzig hoch. Sie mußte noch einmal zum Schweinestall, um nach Krampen zu suchen. Auch die fand sie. Mit den Krampen nagelte sie den Maschendraht an einer Seite fest; ein überstehendes dreieckiges Stück lag nun auf dem Dach auf, die Unterkante waagerecht auf dem Boden. Dann wußte sie nicht mehr weiter. Sie trat ein paar Schritte zurück und betrachtete den Verschlag. Schaute und dachte angestrengt nach. Sie wollte aufgeben, alles in ihrem Körper sagte: Hör auf, laß es liegen. Geh ins Haus, trink etwas, rauch eine Zigarette, nimm ein warmes Bad. Es gab noch zwei gute Bretter. Das kürzere senkrecht, das längere waagerecht als unteren Abschluß, dachte sie, und dann muß ich sehen, wie ich aus dem letzten Stück Drahtgeflecht eine Art Tür mache, die man richtig schließen kann. Bleib jetzt dran. Sie nagelte die beiden Bretter im rechten Winkel zusammen, verband sie zusätzlich mit einem Stück Holz, das sie diagonal aufsetzte, und lehnte die Konstruktion an die Vorderseite des Verschlags. Dann kroch sie hinein, um das Drahtgeflecht von innen mit Krampen an den Brettern zu befestigen. Bei dem unteren, waagerechten war das ziemlich schwierig, weil es keinen Halt hatte und sich von innen schlecht greifen ließ. »Scheiße«, sagte sie. Irgend etwas mußte sie vor das Brett legen. Sie krabbelte aus dem Häuschen und blickte sich um. Neben den Teichen lagen große Feldsteine. Viel zu schwer. Die Schubkarre, auf den Kopf gestellt. Sie drückte sie fest gegen das Brett, schlüpfte wieder unters Dach und versuchte ihr Glück noch
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