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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Soldatkin?“ Der Unterleutnant blickte auf seinen Fahrer-soldaten.
    „Jawohl“, antwortete der Soldat.
    „Du kehrst zurück nach Hause und heiratest, deine Frau wird dir einen Haufen Kinder gebären, und kein Krieg mehr, nichts als Aufbauarbeit, stimmt’s?“, fragte der Offizier, der noch immer auf Soldatkin blickte.
    „Jawohl“, antwortete der.
    „Haben Sie Kinder?“ Der Offizier wandte seinen Blick zu Dobrynin.
    „Das habe ich.“ Der Volkskontrolleur nickte. „Zwei … nein, drei jetzt … Darjuschka, Petka und Grigorij.“
    „Auf ihre glückliche Zukunft!“, sagte der Offizier, der seine Tasse aufs Neue gehoben hatte.
    Sie tranken.
    „Haben Sie Kinder?“, wandte sich der Offizier, nachdem er ein wenig Brot gekaut hatte, an Waplachow.
    „Nein.“
    „Ich habe zwei“, teilte der Unterleutnant mit. „Sie sind jetzt in der Evakuierung, in Sibirien … Aber bald werde ich sie sehen!“
    Der Urku-Jemze sann nach, und er wurde traurig, denn er dachte daran, dass dieser junge Offizier zwei Kinder hatte, und er, schon ergraut, aber noch voller Kräfte – kein einziges.
    Dobrynin war unterdessen endgültig wachgeworden und noch nicht ganz betrunken, daher waren, trotz der Stärke ihres Spiritus, seine Gedanken vernünftig.
    „Haben Sie bei Ihrer Einheit eine Funkstation?“, fragte er den Offizier.
    „Natürlich“, antwortete der.
    „Und kann man Verbindung mit Moskau bekommen?“
    „Das geht. Man braucht nur die Erlaubnis von Major Androssow.“
    „Wenn der Krieg nun also vorbei ist, dann muss ich einen Funkspruch in den Kreml senden, damit man mich nach Moskau zurückruft …“
    „Das ist nicht weiter schwierig.“ Der Offizier winkte ab. „Bleiben wir hier noch ein wenig sitzen, dann fahren wir zusammen zu meiner Einheit, und dort wird alles erledigt.“
    Sie tranken jeder eine dritte Tasse.
    „Wenn ich nach Hause komme“, begann der Soldat, „nehme ich als Erstes eine Arbeit auf, in einem Wagenpark …“
    Waplachow betrachtete Soldatkin mit etwas Missbilli-gung.
    „Als Erstes musst du heiraten“, sagte er, obgleich er nicht vorhatte, über dieser Frage einen hitzigen Streit zu beginnen.
    „Nein“, widersprach der Soldat. „Als Erstes muss ich Arbeit in einem Wagenpark finden. Ich liebe den Geruch von Benzin und von Maschinenöl so sehr …“
    Der Soldat hob sich die Hand vor das Gesicht und roch an ihr. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck echten Glücks.
    Der Offizier betrachtete seinen Untergebenen herablassend.
    „Mit dem Alter wird er schon noch klüger werden“, sagte er und verteilte den letzten Rest Spiritus in die Tassen.
    „So, aufgesessen, und los geht’s!“
    Bald schon fuhren sie im Gasik-Jeep durch die menschenleeren nächtlichen Straßen. Am Steuer saß der Unterleutnant. Neben ihm saß Dobrynin. Der Fahrersoldat schlief auf der Rückbank und murmelte etwas im Schlaf.
    Waplachow war in ihrem Häuschen geblieben. Er mochte die Militärs, doch in dieser Nacht war ihm nach Alleinsein zumute, danach, am Tisch vor der brennenden Kerze zu sitzen, wie der Volkskontrolleur es immer machte, und nachzudenken.
    Die Einheit befand sich fünf Kilometer vom Städtchen entfernt.
    Major Androssow, stellte sich heraus, wusste von der Existenz Dobrynins, wie er von jedem männlichen Zivilisten wusste, der sich zur Kriegszeit auf dem Territorium des Hinterlandes befand, das unter seiner Kontrolle stand. Interessiert las er die Vollmacht des Volkskontrolleurs, und dann bat er darum, den Text aufzuschreiben, den man nach Moskau funken wollte. Als der Text fertig war, brachte ihn der Major höchstpersönlich dem Funker, und als er zurückkehrte, schlug er Dobrynin vor, sich auszuruhen, bis eine Antwort käme. Der Volkskontrolleur aber wollte nicht schlafen. Da schlug ihm der Major vor, eine Weile in ihrer Bibliothek zu sitzen und etwas zu lesen.
    Dobrynin stimmte bereitwillig zu.
    Auf den Regalen entdeckte er nur zweierlei Arten von Büchern: Politkriegsliteratur und Gedichte. Seine Stimmung war gehoben, da leicht betrunken, und die Hände streckten sich wie von selbst nach den Gedichtbänden aus. Während er diese dünnen, bis zur Löchrigkeit zerlesenen Büchlein durchsah, hielt Dobrynin hin und wieder inne und las laut ein oder zwei Gedichte. Dann stellte er den Band zurück an seinen Platz und nahm den nächsten. So geriet ein Büchlein in seine Hände, bei dem der Name des Autors in seinem Gedächtnis augenblicklich Misstrauen hervorrief: „Bemjan Debnyj. Wie die 14. Division ins

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