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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Mitte und begann zu deklamieren:

    „Ernst zur Sache geht das Prügeln!
    Das Gesicht ist feuerrot,
    aber auch der Deutsche drüben
    keucht und japst in echter Not …“

    Er machte eine kurze Pause, holte tief Luft, und weiter:

    „Abstand noch ein Zentimeter“ –

    Da fühlte Mark sich auf einmal gestützt und emporgehoben, er blickte hinüber zu Kusma – sein Schnabel war ge­öffnet und bewegte sich. Mark senkte die Stimme und fuhr fort:

    „Stirn an Stirn, wie eng es ist.“

    So war es wahrhaftig: Kusma sprach die Verse ebenfalls, und das machte Mark ungeheuer froh.

    „Scheußlich ist der deutsche Gegner
    und er stinkt aus dem Gebiss“,

    sprachen sie beide und sahen dabei einander an.
    Gemeinsam sagten sie noch einige Strophen auf. Marks Herz jubelte.
    Danach lag er wieder auf dem Rücken und blickte an die Decke.
    Zwei alte Frauen kamen herein und brachten einen Hund fort, jenen, der an der Wand gelegen hatte. Sie brachten ihn zur Operation. Der Hund blickte Mark irgendwie traurig an.
    Anna Wladimirowna erschien mit der ersten gebratenen Fleischration.
    „Weshalb gibt es so wenig?“, fragte Mark erstaunt, während er die zwei braunen, angebrannten Stücke betrachtete, die in einem etwas seltsamen, tiefen Napf mit den blauen Buchstaben „ ZKTK “ lagen.
    „Es ist beim Braten eingeschmort, mein Lieber, und ich hab auch ein Stückchen gegessen …“
    Das Fleisch schmeckte angebrannt, aber Mark war trotzdem zufrieden.
    „So geweint habe ich damals, ach was hab ich geweint!“, sagte Anna Wladimirowna und erzählte davon, wie erst kürzlich im Nachbarzimmer das Pferd von Marschall Luganskij gestorben war. „Tagelang haben hier die Ärzte gewacht, die Armen sind nicht mal zum Schlafen nach Hause gegangen … Sie haben es nicht retten können …“
    Die Alte ächzte und seufzte noch ein wenig, dann ging sie wieder davon.
    Eine Stunde später erschien im Zimmer eine Frau in einem weißen Kittel über einem langen grünen Mantel. Sie erblickte Mark, riss den Mund auf und lief hinaus.
    „Wieso ist ein Mensch dort?“, drang ihre empörte Stimme durch den Flur.
    Zur Antwort ertönte undeutlich eine Männerstimme.
    Mark lauschte angespannt.
    „Ist er nicht ansteckend?“, fragte die Frau im Flur.
    Auch die nächste Antwort konnte Mark nicht verstehen, doch die Frau kam erneut ins Zimmer und war schon ruhiger. Sie ging zu dem Bettchen mit der Katze, zog einen Hocker heran und setzte sich.
    „Na, wie geht es dir“, fragte sie, während sie die Katze streichelte. „Palmirotschka, du fehlst uns allen so, auch dem Garik, dem Pjotr und der Maschenka! Der Arzt hat gesagt, wir können dich jetzt in fünf Tagen holen!“
    Darauf zog sie ein Päckchen aus ihrer schwarzen, glänzenden Handtasche, faltete es auf und begann die Katze mit fein geschnittenen Stückchen gut durchgeräucherter Wurst zu füttern. Der Duft der Wurst erfüllte das Zimmer.
    Mark schluckte, wandte sich ab und starrte wieder an die Decke.
    Der Hund, der zu seiner anderen Seite lag, regte sich.
    Mark blickte zu ihm hinüber. Es schien ein echter kaukasischer Schäferhund zu sein. Mit zwei breiten Riemen war er an seinem Bett festgebunden und lag mit der Schnauze zu Mark gewandt, das hieß, er sah auch die Frau, die Katze und die Wurst.
    ‚Armer Hund!‘, dachte Mark.
    Ohne Mark ein Wort zu sagen oder auch nur zu ihm herüber zu sehen, ging die Frau hinaus.
    Mark dachte schlecht von der Katze. Er hatte sie nie gemocht, diese flauschigen Haustiere.
    Anna Wladimirowna schaute wieder herein, offenbar hatte sie eine freie Minute.
    Sie blieb bei dem Hund stehen.
    „Niemand kommt dich besuchen, mein kleiner Raul!“, murmelte sie zärtlich. „Das Herrchen ist an der Front, und das Frauchen hat sich wohl mit irgendeinem Kerl eingelassen. Ja, das Herrchen liebt dich, aber diese … pfui … armes Hündchen!“
    Der Hund sah die Alte innig und kläglich an als wäre sie seine Mutter.
    Nachdem Anna Wladimirowna ihn noch ein wenig bedauert hatte, setzte sie sich zu Mark ans Bett.
    „Wie geht es dir? In einer Stunde bringe ich dir Fleisch, ja? Wie geht es deinem Vögelchen?“ Sie drehte sich nach Kusma um. „Er ist so lustig! Ich glaube nicht, dass wir hier je solche bunten hatten! Ich weiß noch, ein Falke lag hier, eine Eule, aber solche wie er nicht …“
    Als die Alte eine Stunde später wieder im Zimmer erschien, mit einem Napf, in dem ein paar kleine gebratene Fleischstückchen lagen, schlief Mark. Er träumte von der Front und den

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