Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
Auftritten ihrer Konzertbrigade.
    Die Alte setzte sich auf den Hocker an sein Bett, stellte sich den Napf auf die Knie und wartete ein paar Minuten.
    Dann blickte sie zu dem Papagei hinüber und aß ohne Hast das Fleisch, das sie mitgebracht hatte, selbst auf.

Kapitel 13
    Bis zum Knotenpunktbahnhof fuhr der Schienenverlegezug nicht weniger als vier Tage. Sie machten nur ein einziges Mal Halt – an jenem Ort, an dem im Schnee inmitten von mächtigen Zirbelkiefern, die hier in ehrerbietigem Abstand voneinander wuchsen, die kleinen Jungen in Uniform begraben waren. Oder genauer, mit Schnee zugeschüttet lagen.
    „Wir müssen sie durchzählen!“, sagte Taufenbach, nachdem er von dem Wagen heruntergesprungen war.
    Alle sechs – der Lokführer mit seinem Gehilfen, Taufenbach und Bruse, Dobrynin und Waplachow – stiegen sie aus dem Zug und zertraten den Schnee von einem weißen Hügel zum nächsten. Manchmal scharrten sie ihn an einer Stelle ein wenig fort, um zu sehen, ob es ein Grab oder nur ein Ameisen-haufen war, den der Winter mit Schnee überzogen hatte.
    Sie zählten. Und kamen auf zweiundvierzig kleine Jungen.
    Als der Zug bereits wieder anfuhr, setzte sich Taufenbach, nachdem er sich die Hände an dem chemischen Öfchen gewärmt hatte, an den Tisch, zog einen dicken Tintenfüllfederhalter aus der Jackentasche und schrieb einen Bericht von zwei kurzen Seiten über ihre Untersuchung des unbekannten Friedhofes.
    „Tja, so ist das“, sagte er zu Dobrynin und setzte einen fetten Punkt. „Ein Bericht, das ist eine bedeutende Sache, und besonders in diesem Fall. Es stellt sich vielleicht heraus, dass das ein Verbrechen gewesen ist, und dann sind wir die einzigen Zeugen. Ich trage auch Sie für alle Fälle hier ein.“
    „Natürlich“, stimmte Dobrynin zu. „Und tragen Sie auch Genosse Waplachow ein!“
    An dem Knotenpunktbahnhof führte Taufenbach den Volkskontrolleur und den Urku-Jemzen in das Gebäude des Eisenbahnerkollektivs. Es schien das einzige Wohngebäude an diesem Ort zu sein. Weiter, hinter ihm und zu seinen beiden Seiten erstreckten sich lange Lagergebäude, und die Erde ringsum war, wie von Tannennadeln, von Schienen übersät, die zusammen führten, auseinander liefen, ineinander übergingen. Buchstäblich bei jedem Schritt musste man auf den Boden zu seinen Füßen achten.
    Der Leiter des Eisenbahnerkollektivs, hinkend, kleingewachsen und in einer kurzen Schaffelljacke, führte sie, nachdem er die Vollmachten des Volkskontrolleurs und seines Gehilfen gelesen hatte, in den ersten Stock in ein kleines Zimmer hinauf. Fünf militärisch hergerichtete Betten standen dort, und am Kopfende eines jeden stand ein Nachttisch.
    „Hier werden Sie erst mal wohnen“, sagte der Leiter. „Dies sind unsere Gemächer für Verantwortliche Mitarbeiter. Essen werden Sie unten, dort haben wir eine Gemeinschaftskantine. Essen wird um sieben Uhr dreißig, zwei Uhr und sieben Uhr ausgegeben. Haben Sie Ihre eigenen Löffel?“
    Dobrynin schüttelte den Kopf.
    „Macht nichts, ich besorge Ihnen welche!“, versprach der Leiter und verließ ihre „Gemächer“.
    Dobrynin suchte sich ein Bett am Fenster aus. Dmitrij setzte sich auf jenes daneben.
    „So“, sagte Dobrynin zufrieden. „Hier ist es warm, und wir bekommen zu essen. Wir warten den Zug nach Moskau ab und dann fahren wir …“
    „Fahre ich auch mit?“, fragte Waplachow mit schlecht verhohlener Vorfreude.
    „Ja“, entgegnete der Volkskontrolleur fest. „Das Flugzeug hat man damals nicht genehmigt, aber mit dem Zug fahren alle …“
    Es klopfte an der Tür.
    Dobrynin und Waplachow wechselten leicht erstaunte Blicke.
    „Wer ist da?“, fragte der Volkskontrolleur.
    Wieder kam der Leiter herein. Er brachte zwei Löffel, zwei Tassen und ein Stück Schmirgelpapier.
    „So, ich habe Ihnen alles besorgt“, sagte er und hielt es dem Volkskontrolleur hin. „Die Löffel sind ein wenig angerostet, putzen Sie sie lieber …“
    Dobrynin nickte verstehend.
    „Bald gibt es Mittagessen, verspäten Sie sich nicht! Bei uns wird wunderbar gekocht!“
    Die Tür schloss sich aufs Neue. Als sie wieder zu zweit waren, teilten Dobrynin und Waplachow das Schmirgelpapier in zwei Hälften und gingen daran, die Löffel von dem Rost zu säubern, der sich recht tief in das Metall gefressen hatte.
    Das Essen erschien Dobrynin wahrhaftig als ein Fest. Der heiße Hirsebrei verbrannte ihm den Mund, doch es gelang dem Volkskontrolleur einfach nicht, langsam zu essen. Der rostige

Weitere Kostenlose Bücher