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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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keine Ersatzteile, und täglich müssen auf ihnen vierzig bis sechzig Oberste und Generäle überprüft werden, die an die Front fahren, nicht gerechnet noch all die Spionageabwehrleute. Tja, so siehst du, was ich zu tun habe … Dann ist hier noch Marschall Luganskijs Pferd verendet, während er im Sanatorium war. Mir hat man befohlen, bis zu seiner Rückkehr das Gleiche zu finden. In den Nächten habe ich die Kavallerieregimenter abgesucht. Mit Müh und Not haben wir eines gefunden, hatten Glück dabei. Wir haben es rechtzeitig in die Kremlreitställe gebracht. Jetzt ist dieser Marschall schon wieder da, gut, dass er nichts gemerkt hat, wer weiß, was sonst alles losgewesen wäre. Zu Taufenbach habe ich gesagt, dass du mit ihm nach Moskau zurückfahren sollst. Ich gratuliere dir zur Geburt des Sohnes Grigorij! Twerin ist krank, aber wird nicht behandelt. Er sitzt rund um die Uhr in seinem Büro. Der Kommandant des Kreml hat vergessen, ihm Tee zu bringen, da hatte ich Mitleid mit dem Alten und habe ihm ein Päckchen von meinem gebracht. Er tut einem doch leid. Niemand liebt ihn … Na gut, soweit! Wenn du in Moskau bist, komm unbedingt vorbei, dann trinken wir Tee und essen Wurst dazu.
    Gruß, Woltschanow.

    Als Dobrynin den Brief gelesen hatte, faltete er ihn doppelt zusammen und steckte ihn in die Tasche seines Pelzes. Er nahm das Päckchen unter den Arm und wollte hinausgehen, als Genosse Taufenbach ihn anrief: „Sie wollen schon gehen? Sie können das Päckchen auch einstweilen hier lassen, sonst machen es Ihre Geologen dort schnell leer!“
    Kurz überlegte der Volkskontrolleur, dann legte er das Päckchen wieder auf den Tisch.
    „Genosse Woltschanow hat uns darum gebeten, dass wir Sie von hier mitnehmen“, fuhr der Leiter des Schienenverlegezuges fort. „Also bringen Sie Ihre Sachen herüber, wir fahren morgen bereits ab.“
    Dobrynin kratzte sich am Hinterkopf. Er hatte ja nur den einen Schultersack.
    „Fahren Sie bis Moskau?“, fragte er Taufenbach.
    „Nein“, gab dieser zurück. „Bis zum Knotenpunkt. Dort steigen Sie auf etwas Anderes um … Wir helfen Ihnen, machen Sie sich keine Sorgen!“
    Nachdem er noch ein wenig überlegt hatte, beschloss Dobrynin schließlich, den Geologen alles dazulassen, außer zwei Packungen Keksen und zwei Packungen Tee. Diese nahm er heraus, bat den Genossen Taufenbach, sie irgendwo zu verwahren, und trat mit seinem Päckchen unter dem Arm in die Kälte hinaus.
    Die Geologen freuten sich über den Tee und die Kekse. Sogar Funker Groroschko lächelte dem Volkskontrolleur zu, und sie kochten sogleich von dem Tee. Sie gaben dem Urku-Jemzen zu trinken, dem es schon ein wenig besser geworden war, dann setzten sie sich um die Tischkiste, bliesen auf ihren heißen Tee und kauten die süßen quadratischen Kekse; auf jedem kleinen Quadrat war ein kleiner Rotarmist mit einem Gewehr zu erkennen.
    Die Stille, die dieses Teetrinken begleitete, war keine schwere. Alles erinnerte an Abschied, und im Grunde war dieses Teetrinken ja auch ein Abschied. Dobrynins Abschied von Genosse Kalatschew und seinen Feunden, von einem langen Abschnitt seines Lebens, der nun in der Vergangenheit verschwand. Der Abschied von Kälte, Schnee und Eis, die dem Volkskontrolleur nie lieb geworden waren. An das, was kommen würde, dachte Dobrynin nicht.
    Dujew wollte wie beiläufig den Fleischbranntwein er­wähnen, doch das griff niemand auf, und nichts störte die feierliche Strenge des Augenblicks.
    Auch die Funkstation schwieg.
    Dobrynin fühlte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Schnell rieb er sich die Augen mit den Fingern. ‚Das darf ich nicht!‘, dachte er. ‚Ein echter Kommunist fühlt doch nichts. Hat nicht Woltschanow das gesagt?‘
    Da dachte Dobrynin, dass er immer noch kein Kommunist war. Nicht nur, weil er kein Mitglied der Partei war, sondern auch, weil er nicht nichts fühlen konnte. Er konnte nicht wie ein Stein sein, den man mit dem Hammer schlägt, während er schweigt und nur die Splitter davon fliegen.
    Von diesen Gedanken wurde es dem Volkskontrolleur traurig zumute. Wieder fühlte er, wie Tränen in seine Augen stiegen. Aber er rieb sie nicht mehr fort.

Kapitel 12
    Wunderbar sind die sowjetischen Menschen. Besonders wunderbar sind sie dabei in Zeiten großer Not. Und bisweilen scheint es, je mehr Not herrscht, je mehr Unglück über das sowjetische Volk hereinbricht, umso besser, umso gütiger wird es. Doch das Volk ist etwas Großes, Unsichtbares, das man nur auf

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