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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Wichtiges ausgelassen … Vielleicht haben sie ja zufällig ihre Namen ausgelassen!“ Er wies mit dem Kinn auf den Volkskontrolleur und den Urku-Jemzen.
    Kalatschew seufzte, hob die Blätter mit dem maschinengeschriebenen Text näher an die Augen und las vor.
    Es ging dort nicht allein um die Organisation der Fleischförderung und -verladung. In diesem Brief war auch die Rede von dem Eintrag des Ortes in dienstliche und geheime Karten, sowie davon, dass im Weiteren in allen Dokumenten, Briefen und Funkmeldungen der Ort als „Fundort Fleisch“ zu bezeichnen sei. Offensichtliche Auslassungen von Namen konnten sie nicht entdecken, überhaupt wurden dort nur die Geologen erwähnt, von dem Volkskontrolleur kein Wort. Und darüber war Dobrynin, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, sehr froh. Er wollte nicht in diesen Gegenden bleiben. Sein Herz weinte, es sehnte sich nach Russland, nach Grün, nach anständigen Sonnenaufgängen und Sonnenuntergängen, nach bellenden und heulenden Hunden.
    An der Wagentür klopfte es, Taufenbach und Bruse kamen herein.
    Nüchtern und sachlich erstellten sie gemeinsam mit Kalatschew einen Arbeitsplan für die nächsten drei Tage. Hauptpunkt in diesem Plan war die Organisation des Alltags der Arbeiter, die mit dem Zug gekommen waren und nun in Fundort Fleisch blieben. Dafür musste einer der beiden geschlossenen Waggons mit Hilfe des Kranes neben dem Wagen der Geologen aufgestellt werden, wobei alle Besonderheiten des Ortes und des Klimas zu berücksichtigen waren. Das hieß, man musste den Waggon auf Pfosten stellen und einen hölzernen Aufgang anbauen. Anschließend würde der Schienenverlegezug abfahren, und in zirka acht Tagen würde der erste Güterzug für Fleisch in Fundort anrollen. Sie besprachen noch einige kleinere Fragen und kamen zu einem Ende. Als er bereits aus dem Wagen gestiegen war, rief Genosse Taufen­bach den Volkskontrolleur für einen Augenblick zu sich.
    „Viele Grüße aus dem Kreml!“, sagte er von unten zu Dobrynin herauf.
    „Vom Genossen Twerin?“
    „Nein, vom Genossen Woltschanow. Er hat ein Päckchen für Sie mitgegeben. Kommen Sie mit, holen Sie es sich ab!“
    Zu zweit eilten sie Bruse hinterher und betraten den Waggon des Leiters.
    Während Dobrynin sich ein wenig an dem Öfchen die Hände rieb, zog Taufenbach von irgendwo eine kleine Postschachtel hervor und legte sie auf seinen Schreibtisch.
    „Hier, Genosse Dobrynin. Das ist für Sie“, sagte er.
    Der Volkskontrolleur ging hin. Die Schachtel hatte keinen Deckel, an seiner Statt lag eine dicke Schicht Zeitungen obenauf, alles jedoch war meisterlich verpackt und mit festem Bindfaden verschnürt.
    Dobrynin knotete den Bindfaden auf. Er zog die Zeitungen heraus. Darunter lag ein doppelt gefaltetes Blatt aus einem Heft, mit großer, unregelmäßiger Handschrift vollgeschrieben, und im Weiteren drängten sich dicht an dicht Teepäckchen und die Dobrynin vertrauten Kekse ‚Auf dem Posten‘.
    Als Erstes begann der Volkskontrolleur den Brief zu lesen.

    Grüß dich, lieber Genosse Dobrynin! – stand dort. – Mit Freude habe ich von deinem Aufenthaltsort erfahren und habe deshalb befohlen, dir dieses Päckchen zu übergeben. Entschuldige, dass es nur Tee und Kekse gibt. Ich wollte noch Zucker dazulegen, aber man hat mir wieder keinen ausgegeben, schon den zweiten Monat trinke ich Tee mit Kompott. Du weißt, was das jetzt für Zeiten sind – wir haben Krieg hier, und deshalb schicken wir alles, was wir können, an die Front. In Moskau ist es warm. Es regnet viel. Ich habe mich mit dem Kremldichter gestritten, mit Bemjan Debnyj. Er ist ein solcher Schuft! So viel Niederträchtiges stellt er an, und immer kommt er damit durch. Er hat auch angekündigt, sich über mich zu beschweren. Wer weiß, vielleicht kommst du hierher, und es gibt mich dann schon nicht mehr – sie erschießen mich noch wegen diesem Stück Scheiße. Kürzlich gab es da auch noch Unannehmlichkeiten wegen einem Kurzschluss im elektrischen Netz. Ich habe einen strengen Verweis bekommen. Denn während der Überprüfung der Treue – erinnerst du dich an die ÜT ? – hat die Umwickelung am Apparat gebrannt und der Strom hat zufällig drei Mitgliedern des Politbüros einen tödlichen Schlag versetzt. Ich dachte, ich komme ins Gefängnis, aber es ging so ab. Aber einen Verweis haben sie mir trotzdem erteilt. Die Arbeit ist unmöglich. Jede Minute droht die Erschießung – die Apparate für ÜT und ÜW werden nicht repariert, es gibt

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