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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Löffelgriff kratzte an den Fingern – bis zum Mittagessen hatte Dobrynin nur das vordere Ende vom Rost säubern können. Dmitrij hingegen hatte nur seinen Griff geputzt, nun knirschte ihm hier und da mit dem Brei auch ein braunes Rostkrümelchen zwischen den Zähnen.
    Nachdem sie dem Brei noch süßen Tee hinterher getrunken hatten, gingen Dobrynin und Waplachow den Genossen Taufenbach suchen, um noch ein wenig mehr zu erfahren. Während sie über unzählige Gleise hinweg stiegen und sich mitunter an Schwellen stießen, wären der Volkskontrolleur und sein Gehilfe beinahe unter einen selbständig dahinrollenden Güterwaggon geraten. Sie konnten gerade noch zur Seite springen, darauf schöpften sie eine Weile Atem und gingen mit noch größerer Vorsicht weiter.
    Taufenbach fanden sie in seinem Wagen, der Schienenverlegezug stand an seinem alten Platz.
    „In zehn Tagen geht ein Zug nach Moskau“, teilte der Deutsche ihnen mit. „Bis dahin können Sie sich hier ruhig aufwärmen. Bruse und ich fahren ab und verlegen die nächste Stichstrecke. Morgen nehmen wir alle neuen Arbeiter des Eisenbahnerkollektivs mit, für ein paar Tage gehört dann aller Brei in der Küche euch.“
    „Wohin geht denn die Stichstrecke?“, erkundigte sich Dobrynin.
    „Direkt nach Norden, Richtung Turuchansk. Dort hat eine Expedition viel Fisch entdeckt: Ein Fluss ist bis auf den Grund eingefroren, und mit ihm auch der Fisch. Sie haben gemeldet, es gebe auf einen Kubikmeter Flusseis bis zu sechzehn Kilogramm Fisch. Wahrscheinlich übertreiben sie, aber man hat uns befohlen, schnell eine Strecke zu legen …“
    Dobrynin nickte verstehend.
    „Wie befördern Sie denn den Fisch?“, fragte Waplachow.
    „Das wird Sikalski entscheiden, wenn er von Fundort Fleisch zurückkommt. Vermutlich in Eisblöcken. Aber das ist ja nicht unsere Aufgabe. Wir legen nur eine Einspur-bahn, und diese Einspurbahnen sind ja auch nur alle provisorisch …“
    „Wie, provisorisch?“, wunderte sich Dobrynin.
    „Sie liegen einfach ohne Befestigung auf der Erde oder auf dem Frostboden. Wenn es einmal ein wenig wärmer wird und die Erde sich absenkt, dann bricht die Schiene, also muss sie repariert werden … Aber ein, zwei Jahre halten sie, immerhin …“
    „Wie erfahren wir denn, welcher Zug nach Moskau fährt?“, fragte der Volkskontrolleur.
    „Das sagt Ihnen der Kommandant, er weiß Bescheid.“
    Die Tür zum Wagen ging auf, und Genosse Bruse trat ein, hochgewachsen, mit von der Kälte geröteten Wangen. Er sah sehr unzufrieden aus.
    „Was gibt es?“, empfing ihn Taufenbach.
    „Eine minderwertige Brigade hat man uns da organisiert …“, antwortete Genosse Bruse beherrscht. „Zehn ehe­malige asiatische Baumwollbauern und drei russische Säufer. Ja, und noch einen degradierten Oberst …“
    „Den ernennst du zum Brigadier!“, riet Taufenbach.
    Bruse nickte.
    „So, dann gehen wir!“ Dobrynin stand vom Tisch auf, weil er die Herren des Wagens mit seiner Anwesenheit nicht von ihrer Arbeit abhalten wollte.
    Nach einem köstlichen warmen Abendessen kam der Leiter zu ihnen in die „Gemächer“. Und hier hatten sie nun endlich die Gelegenheit, sich miteinander bekanntzumachen. Der Leiter hieß Fjodor Kosolobow. Er stellte sich als selten gesprächiger Mensch heraus, und ins Gespräch mit ihm vertieft saßen sie bis Mitternacht beisammen. Weil Dobrynin noch immer gierig auf Nachrichten aus dem sowjetischen Leben war, stellte er Frage um Frage, während Kosolobow mit Enthusiasmus antwortete und ab und an auch noch Zeit fand, zu scherzen oder kleine Geschichten zu erzählen, über die der Volkskontrolleur lachte, bis er Bauchschmerzen bekam. Hin und wieder lachte auch Waplachow, jedoch sehr viel seltener. Denn wenn ein Witz des Leiters zum Beispiel von den Frauen handelte, dann verstand ihn der Urku-Jemze; hatten sich da nun aber zwei Rotarmisten betrunken und anstelle der zum Erschießen verurteilten Saboteure eine Gruppe Vorzeigearbeiter erschossen, die sich zu einem Foto für die Tafel der Ehre versammelt hatten, und fotografierte dann der aus der Gebietshauptstadt angereiste Fotograf die Saboteure – darüber musste Waplachow, warum auch immer, nicht lachen.
    „Wie heißt denn eigentlich dieser Bahnhof?“, fuhr Dobrynin mit seinen Fragen fort.
    „ PKB -542“, antwortete Kosolobow. „Das ist so eine Abkürzung – provisorischer Knotenpunktbahnhof …“
    „Weshalb denn provisorisch?“, forschte der Volkskontrolleur weiter.
    „Die Schienen

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