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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Transparenten und Plakaten erfährt. Die Menschen aber, sie sind lebendig, sie sind bereit, dir in jeder Stunde zu helfen, dich zu unterstützen, für dich, einen vollkommen Unbekannten, alles zu tun, damit du glücklich wirst.
    Das dachte Mark Iwanow, als er im Krankenzimmer der Zentralen Tierklinik neben seinem lieben, guten Gefährten Kusma lag, der nun auch noch sein Kampfgefährte geworden war.
    Das Krankenzimmer war nicht groß. Außer Kusma und seinem Herrn lagen auf kleinen Betten zwei kranke Hunde und eine kräftige, flauschige Langhaarkatze, sowie, in einem Spezial-Käfigbett, ein weißes Eichhörnchen. Was sie für Krankheiten hatten, wusste Mark nicht, er konnte sie ja nicht danach fragen.
    Der Künstler war noch recht schwach, aber seine Gesundheit hatte sich doch gebessert, und das Bewusstsein verlor er nun nicht mehr.
    Er lag da und drehte sich schon von einer Seite auf die andere, wobei er hin und wieder mit dem Blick seinen Zimmernachbarn begegnete. Er dachte nach und staunte noch immer darüber, wie leicht es nun so gekommen war. Nicht sein, Iwanows, Verdienst war das gewesen, sondern die erstaunliche Güte der Menschen hatte alles bewirkt. Jene des Oberstleutnants, des Lazarettleiters, und selbst die des Genossen Urluchow aus dem ZK , der seine Zeit auf Telefonate mit all den Leuten verwandt hatte, die Mark die Erlaubnis zu geben hatten, sich gemeinsam mit Kusma in der Tierklinik auszukurieren. Und hier, in dieser Tierklinik, sorgten sich alle Mitarbeiter um die Gesundheit und seelische Verfassung des einzigen Menschen in ihrer Abteilung. Eben hier kamen Mark die vertrauten Gorki-Worte in den Sinn: „Ein Mensch, wie stolz das klingt“.
    Die Tür zum Krankenzimmer ging auf, und die alte Helferin Anna Wladimirowna schob sich vorsichtig herein. Sie hatte es vom ersten Tag an auf sich genommen, für Mark zu sorgen. So holte sie sich auch dieses Mal ein Hockerchen, setzte sich ans Bett des verwundeten Künstlers und blickte ihn mit ihren freundlichen Augen an.
    „Hier habe ich dir einen Apfel mitgebracht, mein Lieber!“, sagte sie. „Wie gehts dir heute? Vor drei Tagen, als sie dich gebracht haben, warst du blasser als jetzt …“
    „Es geht schon gut …“, antwortete Mark leise.
    „Es gibt eine gute Nachricht für dich.“ Die Alte lächelte listig, als hielte sie hinter ihrem Rücken einen Brief für ihn bereit. „Soll ich’s dir sagen?“
    „Ja“, bat Mark.
    „Sie haben dich für das Essen einer Gruppe zugeteilt …“ Sie machte eine Pause und fuhr fort: „Jetzt bist du bei uns ‚Raubtier‘. Hundertdreißig Gramm rohes Fleisch am Tag …“
    „Aber ich kann doch kein rohes Fleisch …“, bemerkte Mark besorgt.
    „Wozu bin ich denn da?“, entgegnete Anna Wladimirowna lächelnd. „Ich hab hier einen Petroleumkocher im Kämmerchen, ich werd es dir braten und dann essen wir zusammen … Für Jefrem Mironytsch war das ja nicht leicht. Zwei Tage hat er sich geplagt und gesagt: ‚Tragen wir ihn als großes Hornvieh ein, was dann, füttern wir ihn dann etwa mit Hafer?‘ Aber siehst du, er hat es gefunden, hat herausbekommen wie wir dich am besten unterbringen.“
    Nachdem sie ein wenig so geplaudert hatte, ging die Alte wieder aus dem Zimmer, wobei sie vorher noch rasch nach den Hunden, der Katze und dem Eichhörnchen sah.
    Mark drehte sich zur Seite, damit er Kusma besser sehen konnte.
    Der lag auf dem Tisch in einer Art Spielzeugbett, überall bis auf Kopf und Hals, bandagiert.
    „Kusma!“, rief Mark leise. „Kusma!“
    Der Vogel schielte nach seinem Herrn. Er öffnete den Schnabel und hielt ihn so eine Weile offen, dann klappte er ihn zu und wandte sich ab.
    Mark lächelte.
    „Kusma, rede!“, bat er.
    Schon lange hatte Mark diesen Satz nicht mehr gesagt, und jetzt war ihm, als stimmte der Tonfall nicht und auch seine Stimme hätte sich verändert. Vielleicht trug Kusma jetzt auch gar nichts mehr vor. Womöglich hatte er nach der Verwundung alle seine erstaunlichen Fähigkeiten verloren?
    Kusma schwieg.
    „Kusma!“, rief Mark wieder und lauschte dabei seiner eigenen Stimme. „Kusma, trag Tjorkin vor!“
    Wieder schielte der Papagei nach seinem Herrn, doch den Schnabel öffnete er nicht.
    Mark geriet in Aufregung und fühlte, wie ihm heiß wurde und die Luft nicht mehr zum Atmen reichte.
    Er lag da, blickte an die Decke, beruhigte sich und drehte sich erneut auf die Seite. So beschloss er, es dem Vogel selbst vorzutragen.
    Er erinnerte sich an ein Stück irgendwo aus der

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