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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Kuhstall mit ihm, an den Ofen, er muss aufgewärmt werden, solange er noch lebt!“, kommandierte der Brigadier.
    Die halbe Nacht hindurch rieben sie den fast Erfrorenen mit Selbstgebranntem ab, und auch, als er zu sich gekommen war, hörten sie nicht mit Abreiben auf.
    „Da haben die Weiber mal einen Kerl in die Finger ge­kriegt!“, bemerkte der Brigadier, der ihnen zusah und ebenfalls am Ofen stand, nur auf der anderen Seite.
    Gegen Morgen schliefen alle ein, nachdem sie zu ihren Schlafbänken auseinander gegangen waren und zuvor noch den schon aufgewärmten Ankömmling mit einem mächtigen Pelzmantel zugedeckt hatten.
    Als erste erwachten die Kinder, betrachteten den im Schlaf leise schnarchenden Ankömmling ausgiebig und machten sich dann an den großen Kasten, den er mitgebracht hatte.
    Sie klappten die Verschlüsse auf und erblickten staunend eine echte Ziehharmonika in diesem Kasten. Sogleich hob der Älteste, Fedja, der wusste, was für ein Ding das war, sie heraus und zog den Balg auseinander. Ein heiserer trauriger Ton erklang, und die Kinder sahen sich erschrocken um, ob sie nicht jemanden geweckt hatten. Aber im Kuhstall schliefen alle, und da legte Fedja das Instrument vorsichtig auf den Boden neben den schlafenden Unbekannten. Er selbst ging fort, ans nächste Fenster.
    Vor dem Fenster schneite es wieder, und davon fröstelte es den Burschen plötzlich. Er kehrte zum Ofen zurück, an dem der Unbekannte schlief, öffnete die Tür und sah nur rötlich schimmernde Kohlen. Da warf er von dem Brennholz hinein, das direkt daneben aufgeschichtet war, schloss die Tür und blieb an diesem warmen Platz sitzen.
    Die Eingangstür knarrte, eine Frau aus der Küche kam, wanderte durch die Reihen von Schlafbänken, weckte noch zwei weitere Frauen, und gemeinsam verließen sie den Kuhstall.
    Danach erwachte der Engel. Er trat zu dem nächsten Öfchen, warf Holz nach und setzte sich ebenfalls, wie Fedja, ein wenig zum Aufwärmen daneben.
    Frühstück gab es für alle im zweiten von Menschen bewohnten Kuhstall. Während der Ankömmling auf seinen heißen Haferbrei blies, betrachtete er neugierig den Raum.
    „So lebt ihr also?“, fragte er den Brigadier, der neben ihm saß.
    „Jawohl“, antwortete der. „Wir leben gut, erzähl lieber von dir, wer du bist, und woher du kommst.“
    Alle am Tisch verstummten in Erwartung der Erzählung. Der bucklige Buchhalter legte sogar seinen Löffel voll Brei zurück in die Schüssel.
    „Was soll ich erzählen?“, sagte der Ankömmling achselzuckend. „Ich heiße Demid Polubotkin, habe in Moskau gelebt, dann hat man mich in den Kulturpalast einer Kolchose geschickt, nicht weit von hier, ins Dorf Nischnjaja Koloda. Von dort bin ich hergelaufen …“
    „Wieso hat man dich hier her geschickt?“, fragte einer der Männer.
    „Die Kultur verfestigen.“
    „Womit verfestigt man die … das denn?“
    „Nun ja, womit, mit Liedern, Tänzen …“
    „Also singst du etwa auch?!“, rief der Brigadier aus. „Ja?“
    „Ja, ich singe auch“, sagte Demid Polubotkin stolz.
    „Dann singst du uns vielleicht nach dem Frühstück etwas vor?“, fragte der Buchhalter.
    „Nein“, Demid schüttelte den Kopf. „Dafür ist eine be­sondere Stimmung nötig, man muss im Innern froh sein … es ist ja etwas anderes als Graben …“
    Der Brigadier nickte.
    Der Buchhalter runzelte die Stirn.
    „Aber vom Leben in Moskau kannst du uns vielleicht erzählen?“, fragte irgendein Bauer.
    „Das kann ich“, sagte Demid.
    „Also, dann machen wir es so“, bemerkte der Brigadier. „Es sollen ja alle hören … Du erzählst es uns in der Schule, ja?“
    Demid war einverstanden, und da verkündete der Brigadier nach dem Frühstück allen, dass am Abend in der Schule über Moskau erzählt werde.
    Später spazierte Demid durch das Neue Gelobte Land, betrachtete mit Interesse die Bauten und ihre Bewohner, und als er gerade zum Hauptkuhstall, in dem man ihm eine Schlafbank zugewiesen hatte, zurück kehrte, stieß er auf eine hübsche, hellblonde junge Frau, die Filzstiefel und einen großen Bauernpelz trug und ohne jede Mütze ging.
    „Sind Sie der aus Moskau?“, fragte sie, verlegen lächelnd.
    „Ja“, antwortete Polubotkin.
    „Katja, die Lehrerin.“ Die junge Frau streckte ihre Hand aus.
    „Dema“, stellte Polubotkin sich lächelnd vor.
    „Werden Sie uns heute von Moskau erzählen?“
    „Ja“, Dema nickte. „Das werde ich.“
    „Das ist gut“, sagte Katja, lächelte noch einmal anmutig,

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