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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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ging davon und ließ Polubotkin ein wenig ratlos zurück.
    Im Gehen drehte sie sich noch einmal um und folgte ihm mit dem Blick, bis er im Kuhstall verschwunden war.
    ‚Er ist lustig‘, dachte Katja. ‚Und hat so ein Kugelbäuchlein, dass es direkt vorsteht! Bestimmt isst er gern!‘
    Am Abend erzählte Polubotkin vom Leben in Moskau. Von der berittenen Miliz, von den Geschäften, vom Kino.
    Es war sehr viel Volk zusammengekommen. Sie lauschten ihm aufmerksam, mit angehaltenem Atem, und nur manchmal unterbrach einer der ungebildeten Bauern die Erzählung mit einer einfachen Frage und versuchte zu klären, was das genau für Dinge waren, von denen Polubotkin erzählte.
    „Was ist denn das, Kino?“, ertönte eine leise Stimme.
    „Kino, das ist eine Illusion, das ist wie das echte Leben, nur passiert im Leben alles nur einmal, und im Kino kann man es viele Male ansehen …“
    „Was ist eine Illusion?“
    „Warte.“ Hier stoppte Polubotkin den Frager bereits. „Also, zum Beispiel Fotografien, kennt ihr die?“
    Einige nickten.
    „Und das ist genauso, nur ist es in Bewegung. Klar?“
    Natürlich war das nicht klar, aber die Erzählung selbst gefiel den Siedlern besser, als allerhand Erklärungen.
    Durch Demid erfuhren die Siedler auch vom Kreml und von dem Kremlträumer, davon, dass die Moskauer sich morgens und abends die Hände wuschen und es in jeder Wohnung eine Toilette gab … Die Frauen seufzten auf, als sie das hörten. Hier unterbrach der Brigadier die Erzählung, indem er erklärte, dass der Gast nun müde sei und es für die Frauen Zeit war, zum Abendmelken zu gehen.
    Als die Siedler auseinandergegangen waren, trat der Brigadier zu Demid und sagte zu ihm: „Du hättest auch mal etwas Schlechtes von Moskau erzählen sollen, sonst sitzen sie da, sperren die Mäuler auf und das Wasser läuft ihnen im Mund zusammen!“
    „Wie könnte ich das denn, von Moskau erzählen und etwas Schlechtes sagen?“, wunderte sich Polubotkin aufrichtig. „Das ist doch das Herz der Heimat!“
    „Weshalb hat man dich denn von dort weggeschickt?“
    „Man hat mich nicht weggeschickt, sondern ausgesandt … Weil es in Moskau zu viel Kultur gibt, und an anderen Orten, besonders in den Dörfern, überhaupt keine.“
    Der Brigadier kratzte sich hinter dem Ohr und überlegte. Dann sagte er: „Na dann sing lieber, als hier Märchen zu erzählen!“
    „Wenn ich in der Stimmung bin, dann singe ich schon“, antwortete Polubotkin zornig. „Aber wenn ich eben nicht in Stimmung bin …“
    Der Brigadier, der offenkundig übel gelaunt war, wandte sich um und ging davon, ohne noch ein Wort zu Polubotkin zu sagen.
    Die Tage verstrichen. Polubotkin hatte sich im Neuen Gelobten Land eingelebt, schlief, aß und tat sonst nichts, nicht einmal von Moskau erzählte er mehr. Er sagte, er sei nicht in Stimmung. Unter seiner Bank lag untätig die Ziehharmonika in ihrem Kasten. Auch er selbst lag oft da, blickte an die Decke und genoss die Wärme im Raum.
    Da kam einmal der Buchhalter zu ihm, setzte sich auf seine Bank und sagte streng: „Sieh mal, du lebst hier nutzlos schon eine Woche …“
    „Wie, nutzlos?“, fragte Demid ein wenig erstaunt.
    „Du bringst keinerlei Nutzen, du isst und schläfst nur. Du hast ja sogar einen runden Bauch, obwohl du selbst nicht fett bist.“
    „Lass du meinen Bauch in Ruhe!“, erzürnte sich Polubotkin. „Ich habe extra so einen, damit es, wenn ich singe, kräftiger klingt.“
    „Ich will deinen Bauch gar nicht.“ Der Bucklige winkte ab. „Ich will, dass du Nutzen bringst. Du musst dir dein Essen erarbeiten …“
    Demid wurde nachdenklich.
    „Was soll ich denn machen?“, fragte er ernst, weil er einsah, dass es doch nicht recht war, wie die Made im Speck zu leben und keinen Finger zu rühren.
    „Das Erarbeiten wird für dich wohl schwierig, vielleicht ersingst du es dir lieber? Für jeden Tag ein Lied, einverstanden?“
    Dieser Gedanke rief bei Polubotkin keinen Widerspruch hervor. Darauf beugte der Buchhalter sich noch zu ihm und fragte flüsternd: „Kennst du vielleicht zufällig die Adresse von dem Kremlträumer? Wir haben hier beschlossen, ihm einen kleinen Brief zu schreiben und etwas Räucherfleisch zu schicken.“
    „Habt ihr etwa eine Post?“
    „Nein, wir schicken das so, jemand aus dem nächsten Dorf nimmt es mit. Unser Räuchermeister räuchert Fleisch für sie, und mit seiner Hilfe verabreden wir so etwas dann.“
    „Ich kenne die Adresse“, nickte Polubotkin. „Ich kann

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