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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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nicht wahr?«
    Sie antwortet ihm ganz leise:
    »Psst, schau woanders hin. Immer hast du so was im Kopf.«
    »Da tut man sie aber rein.«
    »Ja, ja.«
    Die Mutter dreht ihm mit den Händen den Kopf und zwingt ihn, nach rechts zu sehen. Da stehe nur ich und sonst nichts. Kaum lässt die Mutter seinen Kopf los, schaut das Kind wieder zum Leichenwagen hinaus. Und fängt wieder an:
    »Weshalb tun sie die denn in so einen Sarg?«
    »Still jetzt! Schau woanders hin, hab ich dir gesagt!«
    »Warum?«
    »Weil man nicht über so unangenehme Sachen spricht.«
    Der Junge schweigt einen Augenblick lang. Wir sehen uns an, und ich frage ihn:
    »Magst du Leichen?«
    »Ja. Sie auch?«
    »Manchmal. Nicht immer.«
    Wir flüstern nur, doch die Mutter hört uns. Sie passt genau auf. Sie beschützt ihr Junges im gefährlichen Dschungel. Und sie setzt zum Sprung an wie eine Löwin:
    »Hören Sie mal, wie können Sie so etwas zu dem Kind sagen?«
    Ich sehe sie schweigend an. Ich halte mich an die Regel, nicht mit Frauen zu streiten. Sie sind hinterhältig, und ich verliere immer. Ich bin vernünftig, logisch und geduldig, wenn ich streite. Sie sind unvernünftig, unlogisch und ungeduldig. Sie verwirren mich im Nu, und ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll. Jetzt mache ich den Mund gar nicht erst auf, aber trotzdem wiederholt sie:
    »Haben Sie nicht gehört? Warum sagen Sie so entsetzliche Sachen zu dem Kind?«
    Ich tue so, als sei ich nicht gemeint, und sehe auf die Straße hinaus. Sie ist ein bisschen vulgär und streitsüchtig. Sie muss aus meinem Viertel stammen. Und sie macht weiter:
    »Red nicht mit Fremden, mein Kind. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Verrückte und Besoffene und Scheißkerle, das ist alles, was auf der Straße rumläuft. In diesem Land gibt’s keine ordentlichen Leute mehr!«
    Das Kind sieht weiter zu dem Leichenwagen hinaus, der neben uns herfährt. Der Bus hält an der Ecke Carlos III / Belascoaín. Die Tür geht auf, und ich steige aus.

 
     
     
     
Der Schatz der Republik
     
     
    Ada rief mich an, aus der Wohnung einer Freundin, und redete sehr schnell, wie immer. Sie erzählte mir, dass ihre Freundin ein Zimmer an Touristen vermietet und mir eine Kommission von fünf Dollar zahlt, wenn ich ihr Gäste besorge. Okay, passt mir gut. Ich mach das schon für zwei andere Leute.
    »Sie heißt Berta. Warte mal, red doch gleich mit ihr.«
    Sie gab den Hörer Berta weiter. Die erklärte mir alle Einzelheiten und pries das Zimmer in den höchsten Tönen. Schließlich sagte sie:
    »Ich nehme fünfunddreißig Dollar pro Tag und lasse nicht mit mir handeln, denn was ich biete, ist erste Sahne, nicht wahr?«
    »Ja, klar. Das machst du genau richtig.«
    Dann gab sie mir wieder Ada. Vor Jahren waren wir … nichts waren wir gewesen. Wir hatten eigentlich nur eine sexuelle Beziehung, die über Jahre ging und nach und nach schlechter wurde. Schließlich blieben wir gute Freunde. Anscheinend vertraut mir Ada sehr. Sie ruft mich oft an und redet eine halbe Stunde über all ihre persönlichen Probleme. Total aufgedreht. Sie spricht schnell, springt von einem Thema zum nächsten, fragt schließlich nach meinen Kindern, ich antworte ihr, dass es ihnen gut geht, und sie sagt:
    »Oh, wie schnell die Zeit vergeht! Dann sind sie schon richtig groß, nicht wahr?«
    Nie vertraue ich ihr etwas von mir an. Sie ist zu geschwätzig, und solche Leute bringen immer alles durcheinander. Diesmal erinnert sie sich an die Zeit, als wir beide solo waren, schlank und unbeschwert und wie verrückt überall und bei jeder Gelegenheit vögelten. Dann sagt sie:
    »Uff, aber jetzt bin ich richtig fett geworden. Ich sehe aus wie eine Kuh, hahaha. Und du? Bist du auch dick?«
    Ich bin als Kind dick gewesen. Ich hasse Dicke, die Atmosphäre, die dicke Leute umgibt, die Motive, warum man dick wird, ich hasse den Charakter und die Persönlichkeit von Dicken. Sogar das Lächeln von Dicken stört mich. Ich sage ihr:
    »Nein, nein. Normal. Ich treibe Sport.«
    »Ah, gut. Du hast Zeit, um Sport zu treiben.«
    Und so redet sie aufgedreht weiter. Springt von einem Thema zum nächsten. Mehrmals sagt sie, dass sie jetzt Schluss machen muss, tut das aber nicht. Redet weiter. Ich hab immer gedacht, dass sie crazy ist. Wir sehen uns seit Jahren schon nicht mehr. Telefonieren nur. Als sie anrief, hörte ich gerade die »Zweite Symphonie« von Brahms. Ich musste den Ton leiser drehen, um mit Ada reden zu können. Jetzt erklingt schon das Adagio, und sie quatscht

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