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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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zusammen: zehn achtzig.
    »Nein, Fräulein. Nehmen Sie ein Päckchen Knochen weg«, sagte ich ihr mit dem Zehn-Dollar-Schein in der Hand.
    Das tat sie und zählte noch einmal zusammen:
    »Neun zwanzig.«
    »Da, bitte.«
    Sie gab mir achtzig Cents zurück. Julia hatte genau aufgepasst.
    »Das reicht für zwei Stück Seife.«
    Ich gab ihr die achtzig Cents. Die billigste Seife kostete fünfundvierzig Cents das Stück. Sie steckte das Wechselgeld ein, und wir zogen los. Während wir auf den Bus warteten, fragte ich sie:
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass da so viele Leute hinkommen?«
    »Diese Leute kaufen zum Wiederverkaufen. Die Nachbarin hat mir das schon gesagt: ›Da wird wenig angeboten, und es ist gleich alles weg, weil die Schwarzhändler sofort drüber herfallen.‹ Ich hätte nicht gedacht, dass die so aggressiv sind.«
    »Okay, Julia, ist sowieso vorbei.«
    Wer nicht vorbeikam, war der 232er. Wir warteten anderthalb Stunden. Als wir schließlich zu Hause ankamen, saß da Julias Schwägerin auf der Treppe und wartete auf uns. Wir waren ausgepumpt und schwitzten. Ich dachte, die Knochen würden schlecht bei der Hitze. Julia brachte alles in die Küche und begann es zu zerschneiden, kochte Knochen, zog Haut ab. Ich machte Kaffee, bot ihrer Schwägerin welchen an und ging auf die Dachterrasse, um aufs Meer zu schauen. Der Gestank nach kochendem Rindertalg drang durch die ganze Wohnung und bis auf die Terrasse heraus. Julias Schwägerin stellte sich neben sie, verschränkte die Arme und redete zweieinhalb Stunden, ohne innezuhalten, während Julia schuftete. Als sie ging, war es fast drei Uhr nachmittags und die Hitze unerträglich. Ich machte Limonade und fragte sie:
    »Hast du was zu essen gemacht?«
    »Himmel, red bloß nicht vom Essen!«
    »Julia, ich hab unheimlich Hunger. Es ist fast drei Uhr nachmittags!«
    »Mir wird ganz schlecht von diesem ganzen Fett und den Knochen. Ich kann das nicht mehr sehen!«
    »Julita, sei nicht dumm. Du bist es doch gewesen, die diese Scheiße kaufen wollte, und jetzt muss es gegessen werden.«
    »Du wirst das essen, du fauler Sack bist einfach auf die Terrasse verschwunden. Ich bringe diese Sauerei nicht runter.«
    »Mach Gehacktes draus. Dann siehst du nicht, was du schluckst.«
    »Ich kann nicht. Mir ist so übel, dass ich kotzen könnte. Ich-kann-nicht.«
    »Jetzt sei nicht so empfindlich, Julia. Was willst du denn, etwa Filetspitzen und Steak? Vergiss es, Schätzchen, für dich gibt’s nur das Euter von der Kuh, hahaha.«
    »Und du lachst auch noch drüber. Das ist nicht lustig.«
    »Ah, dann heirate doch einen Minister oder ‘nen General. Die sind ernster als ich, aber sie essen Filet, hahaha.«
    »Jetzt hör schon auf zu lachen, ja? Idiot!«
    Wütend sah sie mich an. Ich wollte sie ein bisschen ärgern. Der Gestank nach Rindertalg hatte mir den Appetit verdorben. Ich war auch angewidert, aber ich konnte ihr nicht Recht geben. Wir tranken eiskalte Limonade.
    Ich versuchte, Siesta zu halten. Es ging nicht. Die Matratze war glühend heiß. Ich warf mich auf den Boden, mit einem Kissen unter dem Kopf. Julia las die Fouché-Biografie von Stefan Zweig. Ich fragte sie:
    »Ist das Buch gut?«
    »Ja. Das war ein wahnsinniger Typ.«
    »Lern es auswendig, nimm Machiavelli dazu, und schon geht’s nach oben, Filet essen.«
    »Das interessiert mich nicht. Lass mich lesen.«
    »Was war mit deiner Schwägerin los?«
    »Sie hat sich von meinem Bruder getrennt. Sie sagt, sie hält es nicht mehr aus. Und ich kann sie verstehen, sie hat Recht.«
    »Weshalb? Hat er eine andere Frau?«
    »Nein. Das Saufen. Immer, wenn er trinkt, vermöbelt er sie. Und jetzt reicht’s ihr. Recht hat sie.«
    »Sie ist doch noch richtig saftig. In einer Woche hat sie ‘nen anderen, und ein neues Leben beginnt.«
    »Mann, denkst du immer nur an das Eine? Du respektierst nicht mal meine Schwägerin.«
    »Ich hab doch nur gesagt, dass sie schön saftig ist.«
    »Sie haben zwei Kinder und sind fast fünfzehn Jahre verheiratet. Es ist traurig. Sie sind ja nicht mehr ganz jung.«
    »Das finde ich nicht. Gerade mal kurz über vierzig …«
    »Und in dem Alter mit zwei Kindern? Sie will ihre Ehe retten, ist doch logisch.«
    »Ist überhaupt nicht logisch. Ehen kann man nicht retten. Das ist unlogisch, absurd und total bescheuert.«
    »Du bist heute ziemlich streitlustig.«
    »Nein, nein. Wir reden doch nur.«
    »Der Schnaps hat meinen Vater umgebracht, und jetzt macht er dasselbe mit meinem Bruder.«
    Sie

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