Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
»Und Kodowsky ist jedenfalls nicht der Tote im Gebüsch.«
»Was willst du damit sagen?«, fragte Rooth. »Drück dich doch mal verständlich aus.«
»Gefängnis«, sagte Jung. »Kodowsky ist nicht gerade ein Musterknabe, wenn ich den Hausmeister richtig verstanden habe, und da ist es doch nicht unvorstellbar, dass die Sache mit der Bohrinsel nur ein Vorwand ist und dass er in Wirklichkeit irgendwo sitzt. Es wäre offenbar nicht das erste Mal.«
»Hm«, sagte Reinhart. »Das klingt schon besser. Überprüf das doch mal ... oder nein, das kann Krause übernehmen. Denn wenn er eingefahren ist, dieser Kodowksy, dann kann er ja wohl nur schwerlich mit seinem Auto nach Dikken gondeln und es dort abstellen.«
»Hafturlaub«, sagte Jung. »Er kann es außerdem verliehen haben ... oder es ist ihm gestohlen worden.«
»Nicht unmöglich«, gab Reinhart zu und stieß eine Rauchwolke aus. »Wenn es auch so alt ist, dass das Diebstahlrisiko nicht sehr groß sein kann. Die Autodiebe von heute sind wählerisch. Nein, ich fürchte, im Moment kommen wir nicht sehr viel weiter. Oder hat hier noch irgendwer etwas auf dem Herzen?«
Das hatte niemand. Es war Viertel nach fünf an einem Samstagnachmittag, und es gab bessere Zeiten für Konversation und Spekulation.
»Dann sehen wir uns morgen Vormittag auf zwei Stunden«, erinnerte Reinhart. »Bis dahin werden wenigstens die Fingerabdrücke analysiert sein. Nicht, dass die uns viel nützen werden. Aber wir könnten auch auf ein wenig mehr von Meusse und dem Labor hoffen. Außerdem ...«
Er zog die Fotos wieder aus dem gelben Ordner und betrachtete sie zwei Sekunden lang.
»Kommt der denn außer mir niemandem hier bekannt vor?«
Jung und Rooth schauten die Bilder an und schüttelten den Kopf. Moreno runzelte für einen Moment die Stirn, dann seufzte sie und zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht«, sagte sie. »Vielleicht ist da etwas, aber ich komme einfach nicht darauf.«
»Na ja«, sagte Reinhart. »Hoffen wir, dass es noch klick macht. Es ist von einem unbestreitbaren Vorteil, das Opfer identifizieren zu können. Was übrigens für alle Arten von Ermittlungen gilt. Darf man den Kollegen und der Kollegin einen erlesenen Samstagabend wünschen?«
»Danke gleichfalls«, sagte Moreno.
»Ich schließe mich an«, sagte Rooth.
»Darf man die Kollegin zu einem Bier einladen?«, fragte Rooth eine halbe Stunde später. »Ich verspreche, mich unter eiserner Kontrolle zu halten und keine Heiratsanträge zu machen.«
Ewa Moreno lächelte. Sie hatten gerade den Haupteingang des Polizeigebäudes passiert, und der Wind kam ihnen vor wie eine Eismaschine.
»Klingt verlockend«, sagte sie. »Aber ich habe ein Rendezvous mit meiner Badewanne und einem schlechten Roman, und ich fürchte, das kann ich nicht absagen.«
»No hard feelings«, versicherte Rooth. »Auch ich habe eine ziemlich gute Beziehung zu meiner Badewanne. Sie tanzt ebenso schlecht Tango wie ich, deshalb nehme ich an, dass wir schließlich doch zusammenbleiben werden. Man soll das hüten, was man hat.«
»Kluge Worte«, sagte Moreno. »Da kommt mein Bus.«
Sie winkte zum Abschied und lief dann eilig über den Besucherparkplatz. Rooth schaute auf die Uhr. Ich könnte auch gleich wieder hineingehen und im Büro schlafen, dachte er.
Warum soll man um diese Jahreszeit überhaupt draußen herumlaufen? Die pure Idiotie!
Trotzdem machte er sich auf den Weg zum Grote Markt und zur Straßenbahn und fragte sich unterwegs, wann er seine Badewanne wohl zuletzt richtig sauber gemacht hatte.
Gestern war es auf keinen Fall, dachte er sich schließlich.
7
Der Anruf kam um 07.15 Uhr am Sonntagmorgen und wurde von Polizeianwärter Krause angenommen. Er hielt es zuerst für einen seltsamen Zeitpunkt für einen Anruf bei der Polizei — vor allem, da ihm sehr bald aufging, worum es sich handelte, und dass die Anruferin mindestens vier Tage damit gewartet hatte—, doch dann hörte er ihrer Stimme an, dass sie in diesen vier Tagen wohl kaum zum Schlafen gekommen war. Wenn überhaupt.
Und deshalb war es wohl doch nicht so seltsam.
»Hier spricht Marlene Frey«, begann sie. »Ich wohne am Ockfener Plejn und möchte eine Vermisstenmeldung aufgeben.«
»Ich notiere«, sagte Krause.
»Es war Dienstagabend«, erklärte Marlene Frey. »Er wollte nur noch schnell etwas erledigen. Wollte später an dem Abend zu Hause sein, das hat er versprochen, aber seither habe ich nichts mehr von ihm gehört, und das ist wirklich nicht
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